Ver.di bereitet sich auf Urabstimmung vor

Noch keine Einigung bei Länder-Tarifrunde in Sicht / 800.000 Angestellte warten immer noch auf Angebot der »Arbeitgeber«

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Berlin. Bei den Tarifverhandlungen für die 800.000 Angestellten der Länder hat sich am ersten Tag der vierten Verhandlungsrunde noch keine Einigung abgezeichnet. Ein Angebot der »Arbeitgeber«, wie die Länder hier genannt werden, sei »überfällig«, er warte auf weißen Rauch, sagte der Verhandlungschef des Beamtenbunds, Willi Russ, am Samstag am Rande der Tarifrunde in Potsdam.

Ver.di-Bundeschef Frank Bsirske sagte: Die Tarifparteien lägen »in allen entscheidenden Punkten bislang sehr weit auseinander«. Bsirske betonte, sollte es bis Sonntag keine Einigung am Verhandlungstisch geben, »dann werden die Verhandlungen an diesem Wochenende scheitern, was ich nicht wünsche«. Es werde keine weitere Verhandlungsrunde geben. »Wir sind dazu bereit, an diesem Wochenende eine Lösung miteinander zu suchen.« Ein Tarifabschluss sei möglich.

Kommt dieser nicht zustande, stünden wohl unbefristete Streiks auf der Tagesordnung. Gewerkschafter Russ, verlangte ein Ende der Taktiererei seitens der Länder. Sollten die Verhandlungen auch in der vierten Runde scheitern, könnte es schon nach Ostern unbefristete Streiks in Ämtern und Schulen geben. Da die Länder die Schlichtungsvereinbarung gekündigt haben, ist eine Schlichtung des Tarifstreits nicht möglich. Ver.di und die Gewerkschaften des DBB Beamtenbunds könnten einen Abschluss nach einer Urabstimmung notfalls erstreiken.

Am Rande der Verhandlungen halten sich die Bundestarifkommissionen von ver.di und DBB Beamtenbund in Potsdam bereit, um Verhandlungsergebnisse zu bewerten. Diese Gremien müssten auch über eine Empfehlung zur Annahme eines Tarifabschlusses oder aber zum Scheitern der Verhandlungen mit anschließender Urabstimmung beraten.

Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) hatte sich als Länder-Tarifchef in einem am Freitag veröffentlichten Interview zunächst optimistisch geäußert, dass eine Tariferhöhung möglich sei. Zu Verhandlungsbeginn wollte Bullerjahn diese Einschätzung für die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jedoch nicht wiederholen.

Die Gewerkschaften fordern für die rund 800 000 Angestellten der Länder 5,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens jedoch 175 Euro im Monat. Die Tarifgemeinschaft der Länder hat das bislang als unbezahlbar abgelehnt. Klar sei, dass die Lohnforderungen auch in den vergangenen Jahren nicht zu 100 Prozent eingelöst werden konnten, sagte Bsirske. »Insofern bewegen wir uns.« Die Länderseite rechnete vor, dass die ursprüngliche Erhöhung allein bei den Angestellten 2,1 Milliarden Euro ausmachten, bei einer Übertragung auf die Beamten summiere sich das auf 6,5 Milliarden Euro.

Gestritten wird nach wie vor vor allem über die Altersversorgung und die Bezahlung der rund 200.000 angestellten Lehrer. Den Ländern wird die betriebliche Altersvorsorge zu teuer, weil die Lebenserwartung steigt und die Zinsen niedrig sind. Nicht alle Länder können das gleich gut verkraften. Zwar schlossen sie das vergangene Jahr insgesamt mit einem Überschuss von 1,9 Milliarden Euro ab. Sie standen Ende 2014 aber nach Angaben des Statistischen Bundesamts auch mit 621,9 Milliarden Euro in der Kreide. Die Unterschiede zwischen finanzschwachen und »reicheren« Ländern sind groß.

Die TdL hatte den Gewerkschaften ein umfangreiches Angebot unterbreitet, die Kriterien für die Bezahlung angestellter Lehrer bundesweit zu vereinheitlichen, ohne jedoch damit gleiche Löhne herbeizuführen. Die Gewerkschaften fordern indes schrittweise eine tatsächliche Angleichung der je nach Bundesland unterschiedlichen Bezahlung angestellter Lehrer an das Lohnniveau verbeamteter Kollegen.

Im Gegenzug für das Angebot bei der Lehrerbezahlung verlangen die Länder Einschnitte bei der Betriebsrente. Die sogenannte Zusatzversorgung garantiert eine Rendite von 4,7 Prozent, die sich jedoch wegen der demografischen Entwicklung und der gegenwärtig niedrigen Zinsen nur schwer erwirtschaften lassen. Die Gewerkschaften lehnen eine Kürzung der Auszahlungsansprüche ab, sind jedoch bereit, über höhere Beiträge von Ländern und Beschäftigten zu verhandeln.

Bullerjahn hatte sich nach Angaben aus Verhandlungskreisen aktuell am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin mit den Ländern über tarifliche Spielräume verständigt. In den vergangenen Wochen war es bundesweit mehrfach zu Warnstreiks von Länder-Angestellten gekommen.

Ihren Forderungen hatten die Gewerkschaften zuletzt mit Warnstreiks in zahlreichen Bundesländern Nachdruck verliehen. Daran nahmen nach Verdi-Angaben allein in dieser Woche insgesamt 80.000 Menschen teil. Agenturen/nd

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