Der nivellierte Udo Jürgens
»Ich war noch niemals in New York« am Theater des Westens
Dass Udo Jürgens zum Zeitpunkt, als ihm der titelgebende Song einfiel, wirklich noch niemals in New York war, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Auf jeden Fall hat er mit diesem wie vielen seiner weiteren rund 1000 Lieder den Sehnsüchten und Wünschen einfacher Menschen eine Stimme gegeben.
Und nun dies. Im Jahr 2007 erlebte »Ich war noch niemals in New York« Premiere am Hamburger Operettentheater, unter intensiver Mitarbeit des Komponistengenius, der sich wohl auch geehrt fühlte, dass aus 20 seiner populärsten Hits ein Musical wurde, wie das bereits Abba erfolgreich praktiziert hatte. Nun sind Jürgens’ Titel, zumal die sensibleren, keine Dutzendware. Und da liegt das Problem.
Sein ganzes Künstlerleben lang hat er gegen Klischees und für Menschlichkeit gesungen und dabei Preziosen geschaffen, die mit ihm und durch ihn Glanz erhalten haben. Mit Broadway-Glamour der seichten Art hat das nichts zu tun. Hier jedoch setzen die Musical-Macher an. Die Handlung des gut zweieinhalbstündigen Jürgens-Marathons, der nach Spielserien in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Japan nun Berlin-Premiere im Theater des Westens hatte, ist jene Reihung von Klischees, wie man sie dem Ende vergangenen Jahres verstorbenen Grandseigneur des deutschen Pop nicht hätte antun dürfen.
Die preisgierige TV-Moderatorin Lisa und der alleinerziehende, arbeitswütige Fotograf Axel treffen zufällig aufeinander, weil ihre Mutter und sein Vater, abgeschoben ins Seniorenheim, per Schiff nach New York ausbüchsen wollen, um dort zu heiraten. Diese letzte verrückte Großtat zweier Liebender rüttelt, man ahnt es von der ersten Begegnung des jüngeren Paares, auch die Herzen von Lisa und Axel zurecht. Drittes Paar dieser Odyssee auf dem Ocean Liner sind Fred, Lisas Maskenbildner, und dessen griechischer Freund Costa. Welche Songs da passen, ist rasch abzusehen: der vom ehrenwerten Haus, in dem sie nicht gelitten sind, und der vom griechischen Wein, bei dem sie sich einst trafen.
Überaus straff führt Regisseurin Carline Brouwer die Geschehnisse zusammen und lässt dazu auf dem Sonnendeck und in der Hochzeitssuite agieren, wie Bühnenbildner David Gallo sein szenenfüllend imposantes Kreuzfahrtschiff gegliedert hat. Was man aus einem Munde, dem des Udo Jürgens, kennt, erklingt hier häufig vielstimmig und musicalhaft aggressiv wie die gesamte Produktion. Nahezu jede Nuanciertheit, aus der die Songs im Original sich speisen, ist zugedeckt von einer Überdrehtheit, die bisweilen schmerzt. Das hat weniger damit zu tun, dass nicht jeder aus der Mannschaft die Stimmqualität des Originals hat. Vielmehr stört die glattgebügelte, putzig konfektionierte Broadway-Inszenierung in Regie und Choreografie, mit einem naseweis-altklugen Filmkind à la Hollywood als weiterer Zutat. Dagmar Biener als Mutter, Peter Kock als »ihr« Otto bescheren die berührend unperfekten Momente.
Bis 27.9., Theater des Westens, Kantstr. 12, Charlottenburg; www.musicals.de
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