Linksradikale DHKP-C nimmt Istanbuler Staatsanwalt als Geisel

Jurist ermittelt zu Polizeigewalt bei Gezi-Protesten im Sommer 2013 / Ultimatum abgelaufen

  • Lesedauer: 2 Min.

Update 17.18 Uhr: Am Abend hielten die Geiselnehmer den Staatsanwalt weiter in seinem Büro fest. Die DHKP-C forderte auf ihrer Facebook-Seite unter anderem, die Polizisten, die für den Tod Berkin Elvans verantwortlich seien, müssten ein öffentliches Geständnis ablegen. Ermittlungen gegen Demonstranten, die wegen des Todes Berkin Elvans protestiert hatten, müssten eingestellt werden. Sollten die Forderungen nicht erfüllt werden, werde der Staatsanwalt getötet.

Update 16.15 Uhr: Über das Schicksal der Geisel war nach Ablauf des von der DHKP-C gestellten Ultimatums am Nachmittag zunächst nichts bekannt. Der Vater Berkin Elvans, Sami Elvan, teilte über Twitter mit, er wolle nicht, dass jemand zu Schaden komme. »Ich will nur einen gerechten Prozess«, schrieb er. Auf der Facebookseite der DHKP-C war zu sehen, wie dem geknebelten Staatsanwalt eine Pistole an den Kopf gehalten wurde. Die Nachrichtenagentur DHA meldete vor Ablauf des Ultimatums, ein Spezialkommando der Polizei sei in das Gebäude eingedrungen. Schüsse seien zu hören gewesen.

Update 14.56 Uhr: Istanbul. Bewaffnete Mitglieder einer linksradikalen Gruppe haben am Dienstag in der türkischen Metropole Istanbul einen Staatsanwalt als Geisel genommen. Türkische Medien veröffentlichen Fotos, auf denen ein Angreifer zu sehen war, der dem Staatsanwalt Mehmet Selim Kiraz eine Pistole an den Kopf hält. Kiraz wurde in seinem Dienstzimmer im Justizpalast im europäischen Teil Istanbuls festgehalten. Er ermittelt wegen des Todes von Berkin Elvan, einem Jungen, der 2013 bei den Gezi-Protesten von einer Tränengaskartusche der Polizei am Kopf getroffen wurde und einige Monate später starb.

Kritiker werfen der Justiz seit langem vor, die Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen für Elvans Tod zu verschleppen. Elvans Vater appellierte an die Geiselnehmer, den Staatsanwalt freizulassen.

Zu der Geiselnahme bekannte sich die linksradikale Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C), die häufig Mitglieder des Staatsapparates ins Visier nimmt. Laut Medienberichten konnten die Angreifer ihre Waffen in das Gerichtsgebäude schmuggeln, weil die Metalldetektoren am Eingang aufgrund eines Stromausfalls nicht funktionierten.

Bei der Geiselnahme im Justizpalast Caglayan waren Schüsse zu hören. Spezialeinheiten der Polizei fuhren am Tatort auf. Die Online-Ausgabe der Zeitung »Hürriyet« meldete, es gebe Verhandlungen zwischen den Geiselnehmern und der Polizei. Die Täter sollen gefordert haben, die Namen der für den Tod Elvans verantwortlichen Polizisten bis 15.36 Uhr (14.36 Uhr MEZ) preiszugeben. Andernfalls werde der Staatsanwalt erschossen. Agenturen/nd

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