»Niveau ist keine Hautcreme«
Neu im Fernsehen: Ronald Zehrfeld als gefühlvoll physischer Privatdetektiv »Dengler« im ZDF
Herr Zehrfeld, Schauspieler, die wie Sie übers Körperliche kommen, machen gemeinhin Karriere bei den Privatsendern, während jene, die übers Innere kommen, eher öffentlich-rechtlich gebucht werden. Was ist da bei Ihnen passiert?
(Lacht.) Also eine gewisse Körperlichkeit ist bei mir unübersehbar, stimmt. Aber scheinbar überlagert sie mein Inneres nicht so, dass ich für anspruchsvolle Filme ungeeignet bin. Wahrscheinlich stimmt einfach die Mischung.
Sind Sie manchmal überrascht, dass Intellektuelle wie Christian Petzold oder Dominik Graf so oft einen bärigen Typen wie Sie besetzen?
Das ist eben der Unterschied: oberflächliche Regisseure sehen an mir nur die Hülle, tiefgründige wie Christian auch einen Arzt wie in »Barbara«. Das ist Motivation und Ansporn, denn diesen Beruf hab ich ja nicht für Rote Teppiche gewählt, sondern um einem Anspruch gerecht zu werden. Deshalb hab ich mit dem Theater angefangen, das schafft eine andere Verantwortung gegenüber den Rollen und Stoffen. Viele Schauspieler, die heute von der Schule kommen, haben da sicher mehr den schnellen Erfolg im Blick.
Was motiviert Sie zu einer Rolle?
Viele meinen ja, der spielt dauernd Polizisten oder Ost-Themen, weil er das am besten kann oder so. Nee, ich spiele jede Rolle, weil sie mit mir zu tun hat und mich bewegt, ohne dass sie mir zu nahe kommt. Und dabei möchte ich möglichst viele verschiedene Sachen machen, ohne mich festzulegen. Komödien zum Beispiel.
Bislang war aber keine dabei, oder?
Nicht richtig. Wenn man »12 Meter ohne Kopf« als Störtebeker nimmt, war zwar was Leichtes dabei, aber ich sehe das als Marathon: Man teilt seine Kraft ein und nutzt die Zeit sinnvoll.
Um gegen Schubladen anzuspielen?
Genau. Wenn ich keine Hoffnung hätte, dass sich da was ändert, würde ich meinen Beruf wechseln. Aber wir sind da noch zu träge in Deutschland. Frag mal irgendwen nach seinen fünf Lieblingsserien - da werden keine deutschen dabei sein.
Einige werden »Im Angesicht des Verbrechens« sagen, wo Sie eine Hauptrolle spielten.
Ja klar, Niveau ist keine Hautcreme und das gibt es auch hier. »KDD« zum Beispiel, inhaltlich toll, aber wo wurde das dann gesendet? Wir brauchen angesichts der neuen Märkte und Plattformen dringend frischen Wind. Aber ich hab als Schauspieler ja die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen und werde wie bei »Dengler« immer wieder auf meinen Bauch hören.
Regisseur Lars Kraume sagt, für eine so physische Rolle gäbe es in Deutschland eigentlich fast nur Ronald Zehrfeld. Ist dieses Lob nicht ein bisschen vergiftet?
Weil es mich so aufs Physische reduziert? Nö. Dengler ist ja erst durch mich so geworden, vom Drehbuch her hätte den auch Tom Schilling spielen können.
Dass Sie hier Action-Elemente spielen, hat also nichts mir Ihrer Vorliebe dafür zu tun, sondern dass Sie der Tristesse klassischer Krimis entkommen wollen?
Ein bisschen schon. Weil ich selber manchmal ein großes Kind bin, fand ich das Physische darin unglaublich spannend. Da bewundere ich bis heute Götz George, der mit 70 noch über Motorhauben springt. Es darf nur nicht ausschließlich um so was gehen. Ein ständig schnaufender Ronald Zehrfeld allein reicht nicht aus. Aber das ist doch das Tolle an meinem Beruf: Ich kann in diesem Moment neben Nina Hoss einen Arzt spielen und im nächsten mit Schwert in der Hand Klaus Störtebecker. Geil.
Trauern Sie dennoch Ihrer Judo-Karriere nach, die trotz bester Perspektiven mit zwölf Jahren abbrach?
Nee, da war ich ja noch ein Kind. Trotzdem war das damals ein großer Traum von mir, der mich mit Stolz erfüllt hätte. Spitzensport war in der DDR ein Tor zur Welt, das sich mit Gorbatschow kurz geschlossen hatte, aber natürlich gleich wieder sperrangelweit geöffnet.
Also fast ein bisschen Glück gehabt, dass die Judo-Karriere ohne Schauspiel mit kaputtem Rücken als Erwachsener nicht geklappt hat?
So denke ich nicht. Hätte, hätte, Fahrradkette - das Leben hat eine andere Geschichte für mich geschrieben. Gut, dass es so gekommen ist, wie es kam. Sonst wäre ich bis heute nicht in Indien gewesen oder hätte Theater gespielt.
Mit Peter Zadek, dem Bühnenberserker.
Genau, »Bitterer Honig«, »Mutter Courage«, mit tollen Kollegen, die ich vorher angehimmelt hatte. Das möchte ich nicht missen. Über die Inszenierung von Peer Gynt hab ich sogar meine Diplomarbeit geschrieben, über die Eitelkeit der Schauspieler und den Zauber zwischen ihnen.
ZDF, 20.4., 20.15 Uhr
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