Der Feind meines Feindes
Linker Flügel der Linken kritisiert Putin / Russland »selbst Teil des imperialistischen Lagers« / Verteidigungspolitische Sprecherin Buchholz gegen »Weltfriedenskonferenz« / Ältestenrat gegen »Kompromisse« bei Friedenspolitik
In der Linkspartei geht vor dem Bielefelder Parteitag die Debatte über außenpolitische Streitpunkte weiter. Neue Kritik gibt es unter anderem an dem Antrag von Mitgliedern, die sich dem linken Flügel zurechnen, in dem eine Weltfriedenskonferenz unter Führung des früheren sowjetischen Staatschefs Michael Gorbatschow gefordert wird.
Die verteidigungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Christine Buchholz, lehnt die Initiative ab - vor allem wegen ihrer Putin-freundlichen Schlagseite. Im Kern ziele der Antrag, der unter anderem von Sahra Wagenknecht, Wolfgang Gehrcke und Sevim Dagdelen unterzeichnet worden war, »auf eine Positionierung der Partei Die Linke an der Seite Putins Russland ohne auch nur im Ansatz die dortige Hochrüstungspolitik und Militarisierung zu benennen«, so Buchholz in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Neuköllner Bezirkspolitiker Klaus-Dieter Heiser.
Auch die Bezugnahme auf Gorbatschow stößt bei Buchholz, die dem geschäftsführenden Linken-Vorstand angehört und selbst zum linken Flügel gerechnet wird, auf Kritik. Die heutige Bedeutung des früheren sowjetischen Spitzenpolitikers reduziere sich darauf, »dass er in Deutschland von Springerpresse und Konservativen hofiert wird. In Russland hat er sich in den letzten Monaten gerade mehrfach hinter Putin gestellt.« Damit habe Gorbatschow den Spielraum für die ohnehin »marginalen linken, antimilitaristischen Kräfte« in Russland verkleinert. Er sei »kein neutraler Akteur«, so Buchholz und Heiser, die zudem bemängeln, dass es »völlig unklar« bleibe, wer die Träger einer solchen Friedenskonferenz sein sollten.
Der als Offener Brief an Gorbatschow formulierter Antrag an den Bielefelder Parteitag ist einerseits als symbolischer Appell an den früheren sowjetischen Staatschef zu verstehen, in dem das Agieren der USA und der NATO vor allem gegen Russland kritisiert und Gorbatschow um »die internationale Koordinierung des Widerstandes gegen diese brandgefährliche, extrem abenteuerliche Politik« gebeten wird. Verwiesen wird unter anderem auf das Vorrücken des nordatlantischen Pakets in Richtung Russland, auf die Rolle des Westens im Ukraine-Konflikt und auf Militärmanöver in Osteuropa; auch wird von »zunehmender Aggressivität« der von den USA dominierten NATO und dem neuen »Verantwortungs«-Militarismus der Bundesregierung gesprochen. Mit dem Antrag sollen aber offenbar auch innerparteiliche Linien gezogen werden. Das Papier war unter anderem als Kritik an rot-rot-grüner Offenheit verstanden worden.
Ähnlich hatte sich bereits der Ältestenrat der Partei geäußert. In einer Erklärung des Gremiums heißt es, »unsere friedenspolitischen Positionen sollten auch auf diesem Parteitag bekräftigt und ,Kompromisse‘ für eine vermeintliche Regierungsfähigkeit ausgeschlossen werden«. Der Bielefelder Parteitag solle »von einer neuen Etappe der imperialistischen Politik zur Neuaufteilung der Einflusssphären, der Ressourcen und der Absatzmärkte in der Welt und in Europa« ausgehen. »Es brennt an allen Ecken und Enden der Welt«, so der Ältestenrat.
Die Frage, wie dabei die Rolle der Regierenden in Russland betrachtet wird, wird allerdings unterschiedlich beantwortet. Während im Leitantrag des Parteivorstandes neben scharfer Kritik am Kurs von Bundesregierung und NATO auch die Moskauer Administration und ihr Agieren ins Visier genommen werden, plädieren andere für eine positive Bezugnahme. Russland könne »eine fortschrittliche Rolle bei der Bildung einer internationalen, antimonopolistischen Allianz spielen«, heißt es in einem Diskussionspapier von Harri Grünberg von der Sozialistischen Linken. Doch das wird auch innerhalb der Strömung zurückgewiesen.
Es sei eine »falsche Orientierung«, wenn der Linken »letztlich ein Bündnis mit den herrschenden Klassen anderer Staaten vorgeschlagen wird, die jedoch selbst Teil des imperialistischen Lagers sind«, heißt es in einer Replik auf Grünberg von Ben Stotz und Nils Böhlke. Die Linkspartei solle »alles tun, die Bundesregierung unter Druck zu setzen und für einen Austritt aus der NATO argumentieren. Aber der Feind unseres Feindes, Putins Russland oder andere BRICS-Staaten, sind deswegen nicht unsere Freunde oder Verbündete«.
Ähnlich liest sich auch die Kritik von Vorstandsfrau Buchholz. Anstatt Putin in Schutz zu nehmen, sollten Linkspartei und Friedensbewegung »ihre Kräfte darauf konzentrieren, die konkrete Beteiligung Deutschlands an der Eskalationspolitik der NATO in Osteuropa zu kritisieren«. Welchen Beitrag Moskau zur Verschärfung der dortigen Lage beigetragen hat, wird im Leitantrag des Vorstands für das Bielefelder Delegiertentreffen kritisiert: Russland habe im Ukraine-Konflikt das getan, »was es in der Vergangenheit zu Recht in anderen Fällen energisch kritisierte: Es missachtete völkerrechtliche Prinzipien und verletzte die territoriale Integrität der Ukraine.«
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