Weniger als zwei Euro pro Stunde - sittenwidrige Lohnvereinbarung
Ein Fall für das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Das teilt die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mit und verweist auf zwei Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. November 2014 (Az. Sa 1148/14 und Az. 6 Sa 1149/14).
Ein Rechtsanwalt beschäftigte zwei Aushilfen, die beide Empfänger von Hartz-IV-Leistungen waren. Die beiden arbeiteten von Montag bis Freitag jeweils von 8 Uhr bis 11 Uhr oder stattdessen entsprechend nachmittags. Für ihre allgemeinen Bürotätigkeiten erhielten sie 100 Euro im Monat, was einem Stundenlohn von weniger als zwei Euro entspricht.
Das zuständige Jobcenter machte weitere Lohnansprüche geltend. Denn es liege eine sittenwidrige Lohnvereinbarung vor, die den Arbeitgeber zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichte.
Auch eine Hinzuverdienstmöglichkeit rechtfertigt nicht den geringen Stundenlohn
Vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg war das Jobcenter erfolgreich.
Die hier vorliegenden Lohnvereinbarungen führten zu einem besonders groben Missverhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der Gegenleistung des Arbeitgebers, so die Richter. Damit liege ein »wucherähnliches Rechtsgeschäft« vor, das gegen die guten Sitten verstoße, also sittenwidrig sei.
Aufgrund der Sachlage sahen die Richter auch die für einen Lohnwucher erforderliche verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers als gegeben an. Denn die Arbeitsleistung der beiden Hartz-IV-Aushilfen hätten für den Rechtsanwalt einen wirtschaftlichen Wert gehabt. Die Arbeiten hätten ansonsten fest angestellte Mitarbeiter zu einem weitaus höheren Stundenlohn ausführen müssen.
Es entlaste den Rechtsanwalt auch nicht, dass er den Leistungsempfängern eine Hinzuverdienstmöglichkeit habe einräumen wollen. Dies berechtige ihn nicht, einen solch geringen Stundenlohn zu zahlen, so das Landesarbeitsgericht. DAV/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.