Widerstand wird ausgeweitet
Hessen will Angriffe auf Beamte unterbinden und startet eine Bundesratsinitiative zur Strafrechtsverschärfung
Es ist nicht zuletzt eine öffentlichkeitswirksame Reaktion auf die Ausschreitungen bei den Blockupy-Protesten am 18. März in Frankfurt am Main: Die hessische Landesregierung will, dass Angriffe auf Polizeibeamte künftig härter bestraft werden. Zu diesem Zweck soll eigens ein neuer »Schutzparagraf 112« geschaffen werden. Das soll indes nicht an die Telefonnummer der Feuerwehr erinnern: Paragraf 113 beschreibt bereits den »Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte« - und davor soll der neue Paragraf ins Strafgesetzbuch eingfügt werden.
Eine entsprechende Bundesratsinitiative brachte das schwarz-grüne Kabinett vergangene Woche auf den Weg. Tätliche Angriffe auf Polizisten, aber auch auf Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdiensten, sollen demnach künftig mit einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bestraft werden. In besonders schweren Fällen, etwa wenn die Tat gemeinschaftlich begangen wird, könnten zehn Jahre Gefängnis drohen. Kritiker befürchten, dass Demonstranten dann künftig das Risiko eingehen müssten, sich sehr leicht strafbar zu machen.
»Angriffe auf die Polizei sind Angriffe auf unsere Gesellschaft und unseren Rechtsstaat«, sagte der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) bei der Vorstellung der Initiative. Die Ereignisse am 18. März, bei denen nach Angaben des Innenministeriums 150 Polizisten verletzt wurden, hätten die Notwendigkeit eines »Schutzparagrafen« noch einmal unterstrichen. Inhaltlich orientiert sich die hessische Initiative an einem Vorschlag der Gewerkschaft der Polizei vom November 2009. Anders als beim Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte soll künftig nicht mehr entscheidend sein, ob ein »tätlicher Angriff« einen Beamten bei einer bestimmten Handlung behindert - er müsste lediglich »in Bezug auf seinen Dienst« geschehen, um unter den neuen Straftatbestand zu fallen. Als tätlicher Angriff soll eine »unmittelbar auf den Körper zielende gewaltsame Einwirkung« gewertet werden, eine Körperverletzung »muss weder eintreten noch gewollt sein«.
Strafbar sind viele Handlungen, auf die der Paragraf anwendbar wäre, auch jetzt schon, wie die Landesregierung in ihrer Begründung selbst festhält. Es ging vielmehr um »angemessene staatliche Reaktionen«, heißt es dort - gerade, wenn Polizisten »als Symbol des Staates angegriffen werden«.
Der Vorschlag verfehle sein erklärtes Ziel, Angriffe auf Polizeibeamte zu verhindern, kritisiert Hermann Schaus, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im hessischen Landtag. »Es ist vielmehr zu befürchten, dass das Demonstrationsrecht damit ausgehöhlt werden soll, wenn eine - wie auch immer entstandene - Rangelei zwischen Demonstranten und Polizei nur für Demonstrationsteilnehmer mit Freiheitsstrafen nicht unter sechs Monaten geahndet werden soll«, sagt Schaus.
Auch Helmut Pollähne vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein befürchtet, dass der geforderte Paragraf 112 insbesondere im Demonstrationsgeschehen angewendet werden würde. »Wenn es zwischen einer Demonstrantenkette und der Polizei zu einer Rempelei kommt, würde das bereits reichen«, sagt er - egal ob dabei jemand verletzt wird. »Das ist ein erhebliche Ausweitung des Strafbarkeitsbereichs und es wäre höchst problematisch, wenn die Polizei in solchen Situationen künftig einfach alle festnehmen könnte.« Demonstranten gingen dann sehr schnell das Risiko ein, sich strafbar zu machen und das weit im Vorfeld von tatsächlichen Gewalthandlungen. Zudem sei die geforderte Strafe sehr hoch, besonders wenn eine Gruppe handle, was auf Demonstrationen fast immer der Fall sei.
Tobias Singelnstein, Juniorprofessur für Strafrecht an der FU Berlin, hält den Vorschlag für Symbolpolitik: »Es gibt eigentlich keine Lücke im Strafgesetzbuch - Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sind bereits strafbar«, sagt er. Der geplante Tatbestand sei aber weiter gefasst. »Das würde den Handlungsspielraum der Polizei zusätzlich erweitern.« Meist entstünden Auseinandersetzungen mit der Polizei aus Konfliktsituationen. »Das müsste ein solcher Tatbestand berücksichtigen, anstatt zu einer Eskalation beizutragen«, sagt der Jurist, der sich viel mit Polizeigewalt beschäftigt. Zudem seien die Beamten in solchen Momenten nicht neutral, sondern selbst Beteiligte des Geschehens. »Mehr Befugnisse bedeutet aber auch, der Polizei in noch stärkerem Maße die Definitionshoheit über die Situation zu übertragen«, sagt Singelnstein.
Sollte der Gesetzesantrag im Bundesrat eine Mehrheit finden, müsste sich nach einer Stellungnahme der Bundesregierung der Bundestag damit befassen.
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