»Anhörung ohne Beteiligung der Betroffenen«
Tarifeinheitsgesetz: Kleine Gewerkschaften kritisieren »gezielten Ausschluss« bei parlamentarischen Beratungen / Chef von dbb Beamtenbund spricht von »Farce«
Berlin. Kleinere Gewerkschaften werden bei der parlamentarischen Beratung des umstrittenen Gesetzes zur Tarifeinheit offenbar ignoriert. Auf eine offizielle Stellungnahme zu der seit Monaten hart umstrittenen Novelle werde verzichtet, kritisierte unter anderem der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Rudolf Henke. Zu einer Anhörung im Bundestag am Montag seien die kleineren Gewerkschaften nicht einmal eingeladen. »Eine zweistündige Anhörung ohne Beteiligung der maßgeblich Betroffenen wirkt wie ein gezielter Ausschluss«, sagte Henke dem »Focus«.
Auch die Lokführergewerkschaft GDL kann nur mittelbar über den Dachverband dbb Beamtenbund eine Stellungnahme abgeben. Dessen Chef Klaus Dauderstädt nennt das Gesetzgebungsverfahren eine »Farce«. Es sei »traurig, wenn sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Gesetz beschäftigen und den Bundestag über die Grundrechte belehren muss«.
Das Tarifeinheitsgesetz soll angeblich Konflikte zwischen konkurrierenden Gewerkschaften innerhalb eines Betriebes lösen, die für dieselben Berufsgruppen unterschiedliche Tarifverträge aushandeln wollen. Im Streitfall soll der Tarifvertrag jener Gewerkschaft gelten, die im Betrieb die meisten Beschäftigten vertritt, so der Entwurf. Experten, Opposition und Gewerkschafter kritisieren jedoch, dass das Gesetz ein unzulässiger Eingriff in die im Grundgesetz verankerte Koalitionsfreiheit sei. »Der elende Gesetzesentwurf von Merkel und Nahles bedeutet Streikbruch per Gesetz«, hatte zum Beispiel Linksparteichef Bernd Riexinger erklärt.
Ärzte-Gewerkschafter Henke glaubt, das Gesetz noch stoppen zu können: »Ich habe den Eindruck, dass in den Fraktionen von Union und SPD die Skepsis wächst.« Viele Abgeordnete fragten sich, »warum die Bundesregierung die Einwände gegen das Gesetzesvorhaben weitgehend unbeantwortet lässt«. Agenturen/nd
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