Entwicklungsminister distanziert sich von Schleuserbekämpfung

Außenpolitiker Liebich: Legale Fluchtwege nach Europa öffnen / Libyens international anerkannte Regierung gegen Militäreinsatz / Protestaktion soll an tote Flüchtlinge erinnern

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Update 14.30 Uhr: Bundesentwicklungsminister Gerd Müller nennt die mittelfristig geplante Zerstörung von Schleuserschiffen in Libyen durch europäische Soldaten schwierig und kaum umsetzbar. Überdies müsste man neben Libyen auch an der türkischen Küste, im Libanon tausende Schiffe kontrollieren. »Ich glaube, da kommen wir nicht zum Ziel«, sagte er. Stattdessen müsse man Schlepper mit polizeilichen und geheimdienstlichen Methoden bekämpfen.

Dann müsse man die Gründe des Problems angehen, sagte Müller. Um die wirtschaftliche Not zu lindern, müsse der Westen in die Krisenländer investieren und den Menschen helfen. Dass bei den letzten Beratungen der europäischen Außen- und Verteidigungsminister die Entwicklungsminister nicht dabei gewesen seien, sei nicht der richtige Weg: »Man muss hier neu denken.«

Zudem fordert der CSU-Politiker angesichts des wachsenden Zuzugs von Flüchtlingen aus Krisenländern einen EU-Sonderkommissar. Ein »Sonderkommissar für Flüchtlingsfragen wäre längst notwendig«, sagte der CSU-Politiker am Mittwoch im ARD-»Morgenmagazin«. Notwendig sei ein europäischer Plan.

Linke kritisieren »kriminelle« EU-Pläne gegen Schleuserboote

Berlin. Politiker der Linken haben die Pläne der Europäischen Union, mit dem Militär gegen Schleuserboote im Mittelmeer vorzugehen, scharf kritisiert. »Die EU-Minister sagen, sie würden gegen kriminelle Schleuser vorgehen. In Wirklichkeit ist das Versenken ziviler Boote selbst kriminell. Daran würde auch ein UN-Mandat nichts ändern«, sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Christine Buchholz. »Der Militäreinsatz im Mittelmeer mit dem Ziel, Boote zu versenken oder gar an Land zu zerstören, die zur Flucht nach Europa genutzt werden könnten, ist unverantwortlich. Es besteht die Gefahr, dass Menschen getötet werden. Ungenutzte zivile Boote am Strand oder im Hafen lassen sich nicht zuordnen«.

Buchholz forderte für die Rettung von Flüchtlingen zivile Seenotrettung und sichere Fluchtwege. Der Außenpolitiker Stefan Liebich sagte, die Bundesregierung müsse klarstellen, was eigentlich ihre Position zur EU-Flüchtlingspolitik ist. Während sich Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) dagegen ausgesprochen hatte, votierten Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) dafür. Liebich wolle im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags am Mittwoch um Aufklärung bitten. Er erklärte, »wer Kriminalität bei der Fluchthilfe eindämmen will, muss die Fluchtursachen bekämpfen und legale Wege öffnen«.

Nach dem Beschluss für einen EU-Einsatz gegen Schleuser im Mittelmeer hat Libyens international anerkannte Regierung ein militärisches Vorgehen gegen Boote mit Flüchtlingen abgelehnt. »Jeglicher militärischer Einsatz kann nur in Zusammenarbeit mit der libyschen Regierung erfolgen«, sagte ein Sprecher der im ostlibyschen Tobruk ansässigen Regierung der Nachrichtenagentur AFP per Telefon. »Die militärische Option zum Umgang mit Booten innerhalb oder außerhalb libyscher Gewässer wird nicht als menschenwürdig betrachtet.« Der Sprecher verwies dabei auch »auf die Sicherheit libyscher Fischer«, die durch den Einsatz gefährdet werden könnten.

Die EU hatte zuvor beschlossen, sich in einer ersten Stufe über Luftaufklärung ein genaueres Bild von der Lage verschaffen. Geplant ist dann ein Vorgehen gegen Schlepperboote in internationalen und libyschen Hoheitsgewässern und als mögliche weitere Stufe auch gegen Einrichtungen der Schleuser an Land. Allerdings machen die Europäer das militärische Vorgehen gegen die Schlepperboote von einem UN-Mandat beziehungsweise dem Einverständnis der libyschen Behörden abhängig. In Libyen konkurrieren derzeit zwei Regierungen um die Macht, nachdem im vergangenen Sommer islamistische Milizen die Hauptstadt Tripolis erobert und dort eine eigene Regierung gebildet hatten. Agenturen/nd

Derweil will das Bündnis »Gemeinsam für Afrika« in mehreren Städten mit einer Protestaktion auf das Schicksal der vielen ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer aufmerksam machen. Am Donnerstag wollen Aktivisten zwischen 12 und 13 Uhr mit einem symbolischen Feld von Leichensäcken der mehr als 1.700 Toten gedenken, die allein in diesem Jahr auf der Flucht nach Europa im Mittelmeer ertranken, wie das Bündnis ankündigte. In Ostdeutschland sind Aktionen in Berlin auf dem Platz des 18. März und in Dresden auf dem Neumarkt geplant.

Die italienische Regierung gab inzwischen bekannt, das Wrack des vor einem Monat im Mittelmeer gesunkenen Flüchtlingsbootes nun doch zu bergen. »Ich will, dass die ganze Welt sieht, was geschehen ist. Es ist nicht akzeptabel, dass einige Leute weiterhin nach dem Motto «aus den Augen, aus dem Sinn» handeln«, sagte Regierungschef Matteo Renzi in einem Interview in der Talkshow »Porta a Porta« im TV-Sender Rai. Das Flüchtlingsboot mit vermutlich Hunderten Migranten an Bord war Mitte April bei einem der bislang schlimmsten Unglücke dieser Art im Mittelmeer gekentert. Nur etwa 24 Leichen waren nach dem Unglück geborgen worden, 28 Menschen überlebten die Katastrophe.

Die zuständige Staatsanwaltschaft in Catania hatte vor einigen Tagen erklärt, sie werde das kurz zuvor lokalisierte Wrack nicht bergen, da dies für die Ermittlungen nicht notwendig, teuer und langwierig sei. Die Bergungsaktion vor der libyschen Küste soll nach Angaben von Renzi etwa 15 bis 20 Millionen Dollar kosten. »Ich hoffe, das wird die EU bezahlen, andernfalls zahlt es Italien«, sagte er. »Dort sind 500 bis 600 Leichen. Wir haben einen Roboter der Marine geschickt, der entsetzliche Bilder geliefert hat.« Agenturen/nd

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