Die Banker und die Kriminellen

Netzwerke des Terrors - Jürgen Roth deckt auf, was andere zudecken

  • Diether Dehm
  • Lesedauer: 4 Min.
Seit den mörderischen Anschlägen auf New York umflirren Codes konditionierend unsre Ohren: Terrorismus, bin Laden, Religions- und Kulturkrieg. Der renommierte Wirtschaftskriminologe Jürgen Roth dechiffriert mit teilweise sensationellen Belegen Hintergründe und Doppelmoral, Geldbeziehungen der Ölmagnaten und der ehrenwerten Bush-Familie, das neue finanzielle Netzwerk der »alten« Organisierten Kriminalität (OK).
Ein Beispiel ist Tadschikistan, wo kriminelle Clans mitregieren, die für Geld alles tun und ohne jeden Patriotismus mit Terroristen kooperieren. Das Land ist aber auch Mitglied der Antiterrorismuskoalition. Wird der Terrorismus bekämpft, wenn die kriminellen Strukturen eines Staatsapparates nicht wahrgenommen werden? Ob Bürgerkrieg zwischen Aserbaidschan und Armenien, in Tadschikistan oder Tschetschenien, auf dem Balkan oder in diversen afrikanischen Staaten - das Organisierte Verbrechen spielt mit. »Innerhalb von wenigen Jahren haben sich dort Organisationen mit erheblicher krimineller Energie, mit Stützpunkten und Verbindungen für illegale Aktivitäten aller Art in ganz Europa zielstrebig entwickelt.« Das sagt Ernst Uhrlau, Koordinator der Nachrichtendienste des Bundes im Bundeskanzleramt. Der Grund: »Desolate Wirtschaftslage, politische Agonie, militärische Konflikte in der Region und fehlende Effizienz der Behörden haben die Entstehung krimineller Organisationen als Machtpotenzial seit Anfang der 90er Jahre gefördert. Eine Reihe der OK-verdächtigen Clans unterhalten enge Beziehungen zum Staatsapparat, zum Parlament und zu einzelnen politischen Strömungen.«
Diesem Befund stimmt im Groben auch die Weltbank zu. Nach deren neuesten Erkenntnissen sind Bürgerkriege mehrheitlich wirtschaftlich motiviert, von Habgier. Politische und ideologische Zielsetzungen dienten oft nur als Rechtfertigung. Als größter Risikofaktor für interne kriegerische Auseinandersetzungen nennt ihr Bericht die hohe Abhängigkeit von Rohstoffexporten. Der Autor der Studie, Paul Collier, Forschungsdirektor der Abteilung Entwicklungsökonomie in der Weltbank, geht davon aus, dass die so genannten Rebellen vielfach genauso wenig ideologisch motiviert seien wie die Mafia. Gemeinsam konkurrierten sie mit den nationalen Regierungen um die Kontrolle von Diamantenminen, Kaffeeplantagen und anderen Rohmaterialien. Ein Beispiel ist das afrikanische Sierra Leone, wo es ausschließlich um Diamanten geht. Die wiederum werden in Europa gegen Waffen eingetauscht - und zwar durch kriminelle Syndikate aus der Ex-UdSSR.
Kein Geheimnis der CIA ist es, dass die »Heiligen Krieger« um Osama bin Laden ihren Kampf auch mit Geldern aus dem Drogenhandel finanzieren, ebenso wie die Taleban in der Vergangenheit damit ihre Waffen und ausländischen Söldner bezahlten. Eine nicht weniger trübe Rolle spielt Pakistan bereits seit Ende der 80er Jahre. Wahlkämpfe der Parteien wurden mit Hilfe der Drogenmafia finanziert, das Militär ist seit Jahren ein treuer Helfershelfer der afghanischen Drogenhändler.
Das finanzielle Netzwerk von Osama bin Laden, so Roth weiter, hatte einen Vorgänger: die »Bank for Credit and Commerce International« (BCCI). Gegründet wurde sie 1972 von einem pakistanischen Banker, zusammen mit dem Chef des saudi-arabischen Geheimdienstes. »An den Aktivitäten der Bank waren Terroristen der Abu-Nidal-Gruppe, die CIA, die Geheimdienste Saudi-Arabiens und Pakistans beteiligt. Die Bank beschäftigte sich im Schwerpunkt mit den Geldtransaktionen von rund 3000 Drogen- und Waffenhändlern, Terroristen und Geldwäschern.« Die BCCI-Bank, mit dem offiziellen Hauptsitz in Luxemburg, vergab großzügig und ohne entsprechende Sicherheiten Kredite an die engsten Geschäftspartner, ohne die nötige Kapitalbasis zu haben. Mit der CIA arbeitete die BCCI bei der finanziellen Unterstützung von Geheimdienstoperationen (Iran-Contra-Affäre, Unterstützung der afghanischen Widerstandskämpfer) eng zusammen. Einer, der 20 Prozent Anteil an der BCCI gehalten hatte, war der saudische Banker Khalid bin Mahfouz, der derzeit wegen Wirtschaftsbetruges unter Hausarrest steht. Er ist Eigentümer der Nationalen Handelsbank in Saudi-Arabien, der weltgrößten Privatbank und darüber hinaus an zahlreichen Handels- und Industriebetrieben im Nahen Osten beteiligt. Die Mahfouz-Familie gilt, nach der Herrscherfamilie, als die reichste Familie in Saudi-Arabien. Erst danach folgt der Clan bin Ladens. Im Forbes-Magazin rangiert Mahfouz in der Liste der Reichsten der Welt auf Platz 125. Mahfouz soll sich mit einem Anteil von 11,5 Prozent an der angesehenen »Harken Energy Corporation« beteiligt haben. Zusammen mit Georg W. Bush sen. investierten dort US-Banker, die im Erdölgeschäft erfolgreich sind.
Andere Connections zwischen George W. Bush und Mahfouz führen zur Investmentfirma »Carlyle Group«, die ihre Verbindungen zur Rüstungsindustrie via ehemaliger US-Politiker wie James Baker III. oder William Long unterhält. Beratend für die Pflege weltweiter Verbindungen hat der ehemalige US-Präsident Bush für das Unternehmen gewirkt. Und, so behauptet der angesehene »Intelligence Report« aus Paris, »im Beirat von "Carlyle" taucht der Name von Sami Baarma auf, Direktor des pakistanischen Finanzinstituts "Commercial Bank", die in Lahore ihren Sitz hat und die vollkommen im Besitz von Khalid bin Mahfouz ist«.
Das finanzielle Netzwerk von Osama bin Laden, so steht es im Vorwort eines Dossiers des französischen Geheimdienstes, entspricht genau dem, »was über die BCCI bekannt geworden ist«. Zwar wurde in europäischen Medien ausführlich aus diesem Dossier zitiert, die Verbindungen zur BCCI jedoch nie erwähnt. In diesem Report vom Juni 2001 werden Firmen weltweit, auch in der BRD, genannt, die mit bin Laden in Verbindung stehen sollen...

Jürgen Roth: Netzwerke des Terrors. Europa-Verlag, Wien/München 2001. 223S., geb., 32.50DM.
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