Angepasste Studenten?
Bildungsrauschen
Über mangelnde Praxiserfahrungen von Bachelor-Absolventen beklagt sich die Wirtschaft schon länger. Nun kommen ihr die Bildungsminister der 47 Bologna-Staaten entgegen. Bei ihrem Treffen Ende letzter Woche im armenischen Jerewan einigten sie sich auf eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen. Sie fordern u.a., dass Hochschulen mit Firmen kooperieren und praxisnähere Studiengänge anbieten: Absolventen, auch ein Bachelor nach sechs Semestern, müssten »arbeitsmarktfähig werden für sich rasch verändernde Arbeitsmärkte, die von technischer Entwicklung und neuen Berufsbildern geprägt sind«.
Grundsätzlich einverstanden zeigt sich die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), nur wolle man eine »kritische Distanz zu Begehrlichkeiten der Industrie bewahren«, heißt es auf hrk.de. Hierzu bemerkt Erik Dorn: »Wenn Arbeitgeber etwas wollen, dann kann man davon ausgehen, dass es nahezu immer zum Nachteil der Arbeitnehmer oder/und des Landes ist. Das sollte man nie aus den Augen verlieren. Hier wird rein egoistisch nur nach den eigenen Bedürfnissen gefordert ohne auch nur eine Sekunde Folgen für andere zu bedenken.« KIPPI weist dagegen darauf hin, dass »eben die möglichst angepassten und eingeschüchterten Absolventinnen (...) nicht arbeitsfähig sind«.
spiegel.de zitiert eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammertags zur Praxistauglichkeit von Bachelor-Absolventen. Demnach seien »weniger als die Hälfte aller Unternehmen mit den Absolventen zufrieden. Vor acht Jahren waren das noch mehr als zwei Drittel aller Firmen«. großwolke sieht die Ursachen »nicht allein bei den Berufsanfängern. Zum einen hat ein Bachelor einen erwartbar geringeren akademischen Horizont als ein Diplomierter oder Doktor. Zum anderen ist diszipliniertes, effizientes Arbeiten auch an öden Routinejobs von Facharbeitern bzw. -angestellten schon besser verinnerlicht. Erstere sind der Wirtschaft zu teuer, letztere haben zum Zeitpunkt ihres Berufsstarts schon zwei bis drei Jahre betriebliche Ausbildung hinter sich, in der die Grundtugenden eingeschliffen wurden. Wer also einen Bachelor einstellt, muss sich bewusst sein, dass er für dessen eher geringen Preis einen Teil der Berufsausbildung noch selbst stemmen muss. Wir haben bei uns im Unternehmen recht viele, die größtenteils nach Einarbeitung von erfahrenen Kollegen einen guten Job machen.«
Überhaupt regiere an den Hochschulen zunehmend die Wirtschaft, wird auf ard.de kritisiert. »Effizienz, Wirtschaftlichkeit, Anwendbarkeit - das sind Schlagworte, die an deutschen Hochschulen immer wichtiger werden. Besonders deutlich zeigt sich dieser Trend bei den Forschungskooperationen mit der Wirtschaft. Mehr als 1,3 Milliarden Euro fließen jährlich von Unternehmen an die klammen deutschen Hochschulen.« Die HRK allerdings sieht nach eigenem Bekunden »keinerlei Hinweise, dass die Wirtschaft an deutschen Universitäten inhaltlichen Einfluss ausübt«. Lena Tietgen
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