Lange Leitung

Bayern hat gute Gründe für seine Ablehnung der Südlink-Stromtrasse - und doch sind die aktuellen Vorschläge abwegig, meint Bernward Janzing

  • Bernward Janzing
  • Lesedauer: 3 Min.

Ach ja, mal wieder so eine Provokation aus Bayern. Plötzlich schlägt Wirtschaftsministerin Ilse Aigner vor, die geplante Hochspannungstrasse von Schleswig-Holstein, die ursprünglich im fränkischen Grafenrheinfeld enden sollte, weiter nach Westen zu verlegen. Damit verliefe sie weniger durch Bayern, aber umso mehr durch Hessen und Baden-Württemberg. Der Aufschrei der betroffenen Länder war absehbar - und Aigner steht im eigenen Land mal wieder als Schützerin freistaatlicher Interessen da. Ebenso Ministerpräsident Horst Seehofer, der ihre Position stützt.

Und doch greift es zu kurz, den Widerstand der bayerischen Landesregierung gegen die Nord-Süd-Trasse - Südlink genannt - allein als populistisches Geplänkel abzutun. Denn aus regionalpolitischer Sicht gibt es gute Gründe, die Trasse abzulehnen. Schließlich würde die Leitung mehr Strom aus anderen Bundesländern in den Freistaat bringen, der damit eigene Wertschöpfung verlöre. Schon heute leiden die bayerischen Gaskraftwerke darunter, dass Stromüberschuss aus dem Norden sie aus dem Markt drängt. Nun sollten derartige Regionalinteressen zwar zurück stehen, wenn Deutschland eine gemeinsame Energiewende vollziehen will. Doch das gilt nur, wenn die Trasse für die Energiewende wirklich unverzichtbar ist - aber das ist sie nicht.

Beispielsweise unterstützt der in Aachen ansässige Solarenergie-Förderverein Deutschland die bayerische Kritik an Südlink. Er befürchtet nämlich, dass neue Leitungen vor allem klimaschädlich erzeugten Braunkohlestrom nach Bayern bringen werden und damit den Betrieb der fossilen Kraftwerke im Norden verlängern. Diesen Verdacht nährt übrigens die Tatsache, dass die Südlink-Trasse nicht erst nach der Fukushima-Atomwende ersonnen wurde: Fast identisch war sie schon 2007 geplant. Nun hat man sie - in Hoffnung auf die Zugkraft des Schlagworts Energiewende - flugs zur Windstromleitung umetikettiert.

Man verschweigt dabei, dass die Energiewende auch ohne neue »Stromautobahnen« möglich ist. Zwei Alternativen stehen nämlich zur Auswahl. Eine besteht darin, die Kohleverstromung in Deutschland - etwa durch eine spürbare CO2-Steuer oder durch scharfe Abgasvorschriften - zurückzudrängen. Denn jedes Kohlekraftwerk, das im Norden vom Netz geht und einem Gaskraftwerk im Süden wieder Raum bietet, verringert den Bedarf an Leitungskapazitäten von Nord nach Süd. Und dann gibt es noch eine zweite Möglichkeit, Trassen zu vermeiden: Man könnte Deutschlands Stromhandel in zwei Preiszonen aufspalten, eine nördliche und eine südliche. Ökonomen haben das schon vorgeschlagen, wie etwa der Wiesbadener Professor Lorenz Jarass, der darin »ein wunderbares marktwirtschaftliches Instrument« sieht, um die jeweilige Versorgungslage abzubilden.

Deutschlands heutiger Strommarkt basiert hingegen auf der Fiktion, das Land sei eine Kupferplatte - man tut einfach so, als könne jede erzeugte Kilowattstunde jederzeit problemlos an jeden Punkt des Landes transportiert werden. Und wenn das dann in der Praxis doch nicht klappt, hinterfragt man nicht das Marktmodell, sondern schreit nach neuen Leitungen.

Bislang unterbinden bundesweite Einheitspreise im Großhandel eine regionale Steuerung der Stromerzeugung. Hätte man hingegen zwei Preiszonen, würde Strom jeweils dort teurer, wo er knapp ist. Und billiger, wo Überschuss herrscht. In der Praxis hieße das: Gaskraftwerke in Süddeutschland würden attraktiver, Kohlekraftwerke im Norden unterdessen unter Druck geraten. Auch das würde den Bedarf an Übertragungsnetzen mindern.

Um nun zu Aigner und Seehofer zurückzukommen: Dass sie die neue Stromtrasse nicht wollen, ist nachvollziehbar. Aber statt die Nachbarländer zu provozieren, sollten sie sich auf eine seriöse Alternative zum Leitungsbau festlegen. Wäre doch eine schöne Vorstellung: der CSU-Vorsitzende Seehofer als Vorkämpfer gegen die Kohlekraft - das hätte schon was.

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