G7-Bündnis klagt gegen Campverbot
Rückkehr Russlands in G8-Gruppe nicht auf Tagesordnung / Bayerns Innenminister verteidigt Verfügung / Steuerzahlerbund beziffert Kosten für Gipfel auf 360 Millionen Euro / Protest gegen G7-Finanzministertreffen in Dresden
+++ EU plant keine Rückkehr zum G8-Format mit Russland +++
Russland kann sich aus Sicht der EU keine Hoffnung machen, bald wieder mit den G7-Nationen an einem Tisch zu sitzen. »Die Rückkehr zum G8-Format ist nicht auf der Tagesordnung«, sagte EU-Vizekommissionschef Frans Timmermans am Mittwoch im Brüsseler Europaparlament eineinhalb Wochen vor dem G7-Gipfel.
Russland war im vergangenen Jahr nach der Annexion der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Krim aus der Gruppe der acht wichtigen Industrienationen (G8) ausgeschlossen worden. »Wer Völkerrecht bricht, der isoliert sich selbst in der Staatengemeinschaft«, sagte der Fraktionsvorsitzende der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber.
Die EU wird bei dem Spitzentreffen von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk vertreten werden.
+++ Protest gegen G7-Gipfel Finanzgipfel in Dresden +++
Die Mehrheit der G7-Demonstranten schaut auf den in Eineinhalb Wochen beginnenden Gipfel im bayerischen Elmau und München, dabei gibt es in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden bereits ab Mittwochabend genug Gründe zum Protest, wo sich die G7-Finanzminister bis einschließlich Freitag treffen. Auf der Tagesordnung steht neben der Lage der Weltwirtschaft auch das Vorgehen der sieben größten Wirtschaftsmächte gegen Steuerbetrug und Gewinnverlagerungen internationaler Konzerne. Vorangetrieben werden soll zudem die Regulierung der Finanzmärkte. Dabei geht es auch um strengere Regeln für Schattenbanken. Beobachter gehen allerdings davon aus, dass sich insbesondere bei den letzteren beiden Punkten kaum eine wirksame Einigung erzielen lässt, da insbesondere Großbritannien mit seinem starken Finanzsektor kaum Interesse an schärferen Regeln haben dürfte.
Begleitet wird das Treffen der G7-Finanzminister von Protesten verschiedener linker und globalisierungskritischer Organisationen. So ruft unter anderem die LINKE am Mittwoch ab 16 Uhr auf dem Dresdener Postplatz zu einer Kundgebung auf. Eine Stunde später veranstaltet das Ökumenische Informationszentrum e.V ebenfalls eine Aktion auf dem Neumarkt.
Trotz des erwartbar überschaubaren Protestes kommt es in den nächsten drei Tagen in großen Teilne der Dresdner Altstadt zu massiven Behinderungen für die Bevölkerung. Mehr als 1700 Polizisten, darunter auch aus Sachsen-Anhalt und Thüringen, sollen das Finanzministertreffen sichern, wozu ein Sicherheitsbereich erlassen wurde, der große Teile der Innenstadt umfasst.
+++ G7-Bündnis: Verbot des Protestcamps politisch motiviert? +++
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat das Verbot des G7-Protestcamps auf einer pirvaten Wiese am Ortsrand von Garmisch-Partenkirchen verteidigt. Es sei wirklich nicht die Aufgabe des Staates, Unterkünfte für Demonstranten zu organisieren, erklärte Herrmann in der Abenschau des Bayerischen Rundfunks.
»Wenn sich jemand in den Kopf gesetzt hat, er müsse unbedingt auf einer bestimmten Wiese in Garmisch campen, muss er dafür eine Genehmigung einholen. Und wenn die Gemeinde vor Ort sagt, 'so geht das nicht', dann ist das eben so.«
Die Kommune hatte das Camp-Verbot mit Verweis auf eine angeblich drohende Hochwassergefahr begründet. Angesichts der Wetterlage könne es dort zu Überschwemmungen von bis zu einem halben Meter kommen. Das gefährde die Teilnehmer, eine Erreichbarkeit sei für Rettungskräfte bei Hochwasser fast unmöglich.
Das Aktionsbündnis »Stop G7 Elmau« zeigte sich überrascht von dem Verbot sowie den Äußerungen des Innenministers und kritisierte das Vorgehen als politisch motiviert. »Wir haben seit Monaten und Wochen immer wieder gesagt, wir wollen das gemeinsam mit den Gemeinden irgendwie lösen und klären, aber das war nie in deren Sinne, von daher ist für uns die Entscheidung keine verwaltungstechnische, sondern ganz klar eine politische Entscheidung«, sagte Aktionssprecher Benjamin Ruß dem Radiosender »B5 aktuell«. Die Behörde nutze die Hochwassergefahr als Vorwand, um die Zahl der G-7-Gegner während des Spitzentreffens am 7. und 8. Juni auf Schloss Elmau zu minimieren.
Auf einer Pressekonferenz gab das Bündnis am Donnerstag bekannt, sich sein Protestcamp am Ortsrand von Garmisch-Partenkirchen nicht verbieten lassen. »Auch wenn sich die Gerichte von dem Hochwasser-Argument wahrscheinlich beeindrucken lassen, werden wir klagen«, sagte Wuck Linhardt von der »Camp AG« des Bündnisses in München.
Das Bündnis gehe zwar davon aus, dass es mit einer Klage gegen das Argument des Hochwasserschutzes nicht weit kommt, berichtete Linhardt. Versuchen wolle man es trotzdem - schon, um Zeit zu gewinnen. Denn solange eine Klage laufe, sei ein Beschluss nicht rechtskräftig.
Entsprechend gehen die Vorbereitungen für das Camp weiter. »Ab Montag beginnen wir mit dem Aufbau«, sagte Linhardt: »Egal wo das dann sein wird - aber hoffentlich dort, wo wir es bisher geplant haben.« Sollte das Verbot bestehen bleiben, hofft das Bündnis auf eine Alternativfläche. Bisher gestaltet sich diese Suche allerdings schwierig.
Das Bündnis informierte ebenfalls über eine für den 6. Juni geplante Demo durch Garmisch. »Im Vorfeld der Demonstrationen wird vonseiten der Behörden, Gemeinden und Polizei regelrechte Angst geschürt«, kritisierte ein Sprecher bereits im Vorfeld der Pressekonferenz.
+++ G-7-Gipfel auf Schloss Elmau ist viel zu teuer +++
Normalerweise sind wir bei Meldungen aus dem Lager neoliberaler Thinktanks wie dem Bund der Steuerzahler (BdSt) extrem vorsichtig, wenn es um Hiobsbotschaften für die »abgezockten« Bürger geht. Mit dieser Warnung könnte der bayerische Ableger allerdings recht haben. Der BdSt beziffert die Kosten für den bevorstehenden G-7-Gipfel auf Schloss Elmau auf fast 360 Millionen Euro. Der Regionalverband berief sich dabei am Mittwoch in München auf eigene »Recherchen und Berechnungen« mit. Offiziellen Angaben der Behörden zufolge belaufen sich die Kosten auf 130 Millionen Euro. Allein diese Zahlen liegen weit entfernt von dem, was die Bundesregierung im August 2014 der LINKEN auf eine parlamentarische Anfrage antwortete. Damals bezifferte der Bund seinen Anteil der Kosten auf auf rund 80 Millionen Euro, während der Freistaat Bayern selbst nur mit einem »niedrigen zweistelligen Millionenbetrag« kalkulierte.
Der BdSt machte die Wahl des Ortes für die hohen Kosten verantwortlich. Das Luxushotel in den Bergen sei nur mit extrem hohem Aufwand zu sichern. Die Sicherheitsbehörden sehen es als notwendig an, ein ganzes Tal samt Bergspitze hermetisch abzuriegeln. Dafür seien eigens Hubschrauberlandeplätze in ein Naturschutzgebiet gebaut sowie Millionen Euro für »Sammellager und Gefängnisse« ausgegeben worden.
»Die Kosten sind unverhältnismäßig«, erklärte Rolf von Hohenhau, Präsident des bayrischen Steuerzahlerbunds. »In München wird die Sicherheitskonferenz mit ähnlich hohem Sicherheitsanspruch alljährlich für ca. drei Millionen Euro veranstaltet. Elmau macht keinerlei Sinn.«
Der Verband machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für die Ortswahl verantwortlich. Elmau sei auf »persönlichen Wunsch der Bundeskanzlerin« ausgewählt worden. Dabei hätten Kosten und Durchführbarkeit keine Rolle gespielt. Agenturen/nd
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