Notfallleitstelle für Offshore-Windparks

Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger möchte in einem neuen Geschäftsfeld mitmischen

  • Burkhard Ilschner, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.
Droht der Seenotretter-Gesellschaft im 150. Jahr ihres Bestehens der Entzug der Gemeinnützigkeit? Kritiker werfen ihr vor, wirtschaftlich tätig zu werden.

Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) arbeitet als gemeinnütziger Verein in staatlichem Auftrage, finanziert sich aber ausschließlich aus Beiträgen und Spenden. Neben Kleinbeträgen aus den bekannten Schiffchen mit dem rotweißen Hansekreuz tragen vor allem große Firmenspenden oder Erlöse traditioneller Galaveranstaltungen zum Jahresetat des Vereins von zuletzt 36 Millionen Euro bei. Aber die meisten dieser Gelder fließen nur, weil die Spender sie steuerlich geltend machen können. Die DGzRS hätte ein schwerwiegendes Problem, verlöre sie ihre Gemeinnützigkeit. Diesen Status hält der Berliner Rechtsanwalt Thomas Kirch für gefährdet: In einer dem »nd« vorliegenden Stellungnahme kommt er zu dem Schluss, dass sich das Engagement der Seenotretter beim »Betrieb einer Notrufleitstelle für Offshore-Windkraftanlagen« nicht mit der Gemeinnützigkeit vertrage.

Worum geht es? Aufbau und Betrieb von Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee schaffen vielfältige, aber risikoträchtige Arbeitsplätze. Hilfe ist dort draußen nicht mal eben verfügbar, also müssen besondere Vorkehrungen etwa für Unfälle oder Erkrankungen getroffen werden. Grundsätzlich sind Arbeitgeber verpflichtet, etwa die Bergung eventueller Unfallopfer und deren Erstversorgung vor Ort zu gewährleisten. Nur die weitere Notfallversorgung wie Transport oder klinische Behandlung ist Sache öffentlicher Rettungsdienste und liegt in der Verantwortung der Bundesländer - so ist der Arbeitsschutz gesetzlich geregelt. Ebenso klar ist auch: Ist ein öffentlicher Rettungsdienst nicht verfügbar, hat der Arbeitgeber diese Lücke zu schließen - durch betriebliche Maßnahmen oder durch Auftrag an kompetente private Dienstleister.

Die Offshore-Windparks entstehen in den sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) von Nord- und Ostsee, administrativ zuständig sind jene drei Bundesländer, die auch die angrenzenden Küstengewässer verwalten: Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Sie müssten öffentliche Rettungsdienste gewährleisten. Geschieht das - warum auch immer - nicht, sind die privaten Anlagenbetreiber gefordert: auf eigene Kosten.

Zu ihrer Entlastung wollte das Bundesverkehrsministerium Millionen Euro Steuergelder für ein staatliches Rettungswesen in den AWZ unter Leitung des Cuxhavener Havariekommandos ausgeben. Aber der Vorschlag gilt als verfassungsrechtlich problematisch: Die Existenz des Havariekommandos basiert auf einem Abkommen zwischen dem Bund und allen fünf Küstenländern - aber Bremen und Hamburg sind für die Ausschließlichen Wirtschaftszonen nicht zuständig, der Bund wiederum hat mit öffentlichem Rettungsdienst nichts zu tun.

Prompt schlug das Havariekommando vor, in Verantwortung der DGzRS eine rund um die Uhr besetzte Notfallleitstelle aufzubauen. 2012 präsentierten die Seenotretter mit Unterstützung des Landes Bremen den Plan, am dortigen Flughafen eine solche Leitstelle einzurichten - finanziert von der Windkraftindustrie und ohne DGzRS-Gelder. Betrieben werden sollte die Leitstelle von der DGzRS-Tochter »Gesellschaft für maritimes Notfallmanagement« (GMN) unter Führung von Kapitän Udo Helge Fox, der zugleich zur DGzRS-Geschäftsführung gehört.

Der Plan platzte allerdings: Unter Verweis auf die zerbröselte Offshore-Windpark-Euphorie zitierte eine Lokalzeitung im Februar 2014 Kapitän Fox mit den Worten, die Industrie sei nicht bereit, »in so eine Zentrale Geld zu investieren«. Also blieb die GMN in den Räumlichkeiten der DGzRS, hat aber dort ihre Tätigkeit in kleinem Rahmen begonnen - und nutzt dafür das vorhandene »Maritime Rescue Coordination Centre« (MRCC), die Notfallleitstelle der Seenotretter.

Genau das kritisiert Anwalt Kirch: Damit werde nämlich »die DGzRS über die GMN wirtschaftlich im Markt tätig«. Unter anderem werbe man damit, dass »ein Rückgriff auf die Einsatzmittel der DGzRS durch die Verknüpfung mit der Notfallleitstelle MRCC sichergestellt sei«. Das stört den Juristen: Die DGzRS selbst sei »damit nicht mehr ausschließlich gemeinnützig tätig«. Die Gesellschaft äußerte sich auf Anfrage bisher nicht zu den Vorwürfen.

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