Keine Anklage zu Massaker in Sant’Anna
Letztes Verfahren wegen Krankheit eingestellt
Seit Donnerstagmorgen ist amtlich, was sich seit Jahren und Jahrzehnten andeutete: Für die Ermordung von 560 unschuldigen Menschen in dem toskanischen Bergsdorf Sant’Anna di Stazzema am 12. August 1944 wird kein SS-Soldat von der deutschen Justiz bestraft. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg teilte mit, dass das Verfahren gegen den Kompaniechef Gerhard S. eingestellt wird. Der Beschuldigte sei demenzkrank und dauerhaft verhandlungsunfähig.
Damit ist der 93-Jährige wohl nur knapp einer Verurteilung entkommen. Denn die Staatsanwaltschaft teilte ebenso mit, die Auswertung des umfangreichen Aktenmaterials zu dem NS-Kriegsverbrechen in Sant’Anna di Stazzema habe ergeben, dass der Beschuldigte als ehemaliger Angehöriger der 16. SS-Panzergrenadierdivision »Reichsführer SS« mit hoher Wahrscheinlichkeit »wegen grausamen und aus niedrigen Beweggründen begangenen Mordes in 342 Fällen anzuklagen wäre«.
Gerhard S. kann nun jedoch auch seinen restlichen Lebensabend unbehelligt im Hamburger Stadtteil Volksdorf verbringen, wie er es in den vergangenen Jahren tat. Und dies, obwohl er bereits im Jahr 2005 von einem italienischen Militärgericht wegen vielfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden ist - allerdings in Abwesenheit. Zu einer Auslieferung kam es nie.
Die deutschen Behörden nahmen erst im Jahr 2002 Ermittlungen gegen Gerhard S. und 16 weitere damals noch lebende ehemalige SS-Soldaten auf. Anklage wurde nie erhoben. 2013 gab aber das Oberlandesgericht Karlsruhe dem Antrag der Anwältin Gabriele Heinecke auf Erzwingung der Anklage recht, woraufhin die Ermittlungen in Hamburg begannen.
Heinecke kritisierte die nun erfolgte Einstellung. »Der Psychiater, der den Zustand von S. beurteilte, hat sich dabei einzig auf die Erklärungen seiner Tochter gestützt«, so Heinecke gegenüber der italienischen Zeitung »Il Fatto Quotidiano«. Auch der in Rom tätige Militärstaatsanwalt Marco De Paolis zeigte sich enttäuscht. Aufgrund des hohen Alters von S. sei die Einstellung zwar zu erwarten gewesen. Die Anerkennung der Schuld von S. durch ein deutsches Gericht hätte jedoch einen hohen juristischen, moralischen und historischen Wert gehabt, sagte De Paolis »Il Fatto Quotidiano«.
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