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Sozialverband: Recht auf Hartz-Sanktionen ist verwirkt

Schneider: Bundesregierung hat Prinzip Fördern und Fordern aufgegeben / Kipping: Strafen gegen Erwerbslose bis zu Karlsruher Urteil aussetzen

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Angesichts gerichtlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Hartz-IV-Sanktionen hat der Paritätische Wohlfahrtsverband die Abschaffung der Sanktionen gefordert. »Spätestens mit den massiven Kürzungen bei den Hilfen für Langzeitarbeitslose seit 2010 und der daraus folgenden Zweiklassenarbeitsmarktpolitik ist das Prinzip des Forderns und Förderns von der Bundesregierung aufgegeben worden. Damit ist das Recht auf Sanktionen verwirkt«, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes.

Angesichts einer Förderquote von mittlerweile nur noch 9 Prozent und einer Vermittlungsquote von gerade einmal 14 Prozent seien Sanktionen nicht länger zu rechtfertigen. »Wenn die Jobcenter den Betroffenen keine echte Perspektive anbieten können, sind Sanktionen nicht nur sinnlos, sondern geradezu unredlich. Bei den Sanktionen handelt es sich keinesfalls um eine Petitesse«, betont Schneider. »Hier werden Menschen tatsächlich unter die Armutsgrenze gedrückt.«

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Der Verband fordert die komplette Abschaffung der Sanktionen und einen arbeitsmarktpolitischen Kurswechsel. »Statt sinnlose Sanktionen brauchen wir eine arbeitsmarktpolitische Offensive, die den Menschen echte Perspektiven eröffnet«, fordert Schneider. Notwendig seien eine neuerliche Instrumentenreform und eine deutliche Aufstockung des Eingliederungstitels für Maßnahmen zur Integration Langzeitarbeitsloser. »Wir brauchen insbesondere mehr Qualifizierungsmöglichkeiten, die Möglichkeit längerfristiger Förderung sowie einen Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung«, so Schneider. Nach Schätzungen des Paritätischen bedürfte es eines zusätzlichen Finanzvolumens von mindestens drei Milliarden Euro, um ein entsprechendes Hilfsangebot zu finanzieren.

Angesichts gerichtlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Hartz-IV-Sanktionen hat die Linkspartei ein sofortiges Moratorium gefordert. »Bis das Bundesverfassungsgericht ein Urteil fällt, müssen jetzt die menschenunwürdigen Sanktionen gegen Empfängerinnen und Empfänger des Arbeitslosengeldes II vollständig ausgesetzt werden«, sagte Parteichefin Katja Kipping der »Rheinischen Post«.

Das Sozialgericht in Gotha hatte zuvor das Verfassungsgericht eingeschaltet. In dem Fall hatte der Kläger ein Arbeitsangebot des Jobcenters Erfurt abgelehnt. Daraufhin wurde sein monatlicher Regelsatz um 30 Prozent, also 117,30 Euro, gekürzt. Weil er ein weiteres Angebot ausschlug, veranlasste das Jobcenter eine Minderung um insgesamt 60 Prozent oder 234,60 Euro. So blieben dem Mann nur knapp 164 Euro zum Leben. Dagegen legte der Betroffene beim Sozialgericht Gotha Anfechtungsklage ein.

Da die zuständige Kammer aber die »maßgebliche Norm«, in diesem Fall die Sanktions-Paragrafen des Sozialgesetzbuchs II, als verfassungswidrig ansah, musste die Sache als Vorlage nach Karlsruhe gehen. Dem Sozialgericht zufolge verstoßen die Sanktionen gegen mehrere Grundrechte. »Das vom Grundgesetz garantierte menschenwürdige Existenzminimum muss durch den Staat jederzeit gewährleistet werden«, heißt es in der Begründung der 15. Kammer, in der ein Berufsrichter und zwei ehrenamtliche Richter sitzen. Agenturen/nd

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