Postkonzern attackiert Gewerkschaft
Vorstandschef Appel wirft ver.di vor, Mitarbeiter für Warnstreiks unter Druck zu setzen / Bsirske: »Wir laufen auf eine massive Konfrontation zu« - Postkonzern bekommt »den Hals nicht voll«
Berlin. Das sieht nach einem Revanchefoul aus: Vor dem Start der 6. Gesprächsrunde im Tarifstreit bei der Post am Montag in Berlin hat Konzernchef Frank Appel schwere Vorwürfe gegen die Gewerkschaft ver.di erhoben. Diese setze die Mitarbeiter unter Druck, damit sie sich weiter an den laufenden Warnstreiks beteiligen, behauptete Appel. »Die Beschäftigten werden gemobbt, es wird Angst geschürt, damit sie sich hinter der Gewerkschaft versammeln«, wurde der Post-Vorstandschef in der »Welt am Sonntag« zitiert.
Anfang Mai hatte ver.di der Post vorgeworfen, Vorgesetzte würden Streikteilnehmer einschüchtern. Außerdem wurde über den Einsatz von Beamten als Streikbrecher gestritten - auch vor Gericht. Appel behauptete nun mit Blick auf die Gewerkschaft: »Es wird mit Rufschädigung und Diffamierung gearbeitet.«
In der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« warf derweil Gewerkschaftschef Frank Bsirske dem Post-Management eine Verschleppungstaktik vor und drohte mit einer Ausweitung des Arbeitskampfes: »Wenn der Post-Vorstand seinen Kurs so weiterfährt, dann laufen wir auf eine massive Konfrontation zu«. Nachdem am Freitag bundesweit mehrere tausend Beschäftigte ihre Arbeit niedergelegt hatten und laut Post Hunderttausende Pakete sowie Millionen Briefe ihre Empfänger erst später erreichen sollten, traten Verdi zufolge am Samstag rund 5000 Kollegen in den Ausstand. Nur in Berlin, Brandenburg und Bayern habe es eine Pause gegeben.
Die Gewerkschaft verlangt 5,5 Prozent mehr Geld und eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit um 2,5 auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Hintergrund des Tarifkonflikts ist neben dem Streit um Arbeitszeiten und Gehälter für die etwa 140.000 Post-Angestellten vor allem der Aufbau von 49 regionalen Gesellschaften für die Paketzustellung. Dort arbeiten nach Angaben der Post schon mehr als 6.000 Menschen. Bezahlt werden sie nicht nach dem Haustarif des Konzerns, sondern nach dem in der Regel niedrigeren Tarif des Speditions- und Logistikgewerbes.
Der Post-Chef verteidigte die Ausgliederung: Wettbewerber des Bonner Unternehmens zahlten viel geringere Stundenlöhne. »Wir können die Einkommen der Vergangenheit nicht länger für die Zukunft versprechen«, sagte Appel. Gewerkschaftschef Bsirske hielt dagegen: »Das ist entgrenztes Gewinnstreben, die kriegen den Hals nicht voll«, kritisierte der ver.di-Chef die Lohnpolitik der Post. »Man kann beim Marktführer erwarten, dass er auch bei der Entlohnung vorne liegt.« Agenturen/nd
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