Werbung

Entzückende Rücken für Erdogan

Twitterprotest türkischer Frauen ärgert Erdogan / Tausende Frauen drehen dem Präsidenten den Rücken zu / Wahlen am Sonntag

  • Lesedauer: 3 Min.
Erneut dienen soziale Medien dem Protest in der Türkei: Türkische Frauen drehen Erdogan auf Twitter massenhaft den Rücken zu. Der neue Trending Topic könnte der linken HDP im Wahlkampf gegen die Erdogan-Partei AKP nutzen.

Auf Twitter bekommt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mitsamt seiner konservativen Regierungspartei AKP gerade ordentlich Ärger von linken und kurdischen Frauen. Bei einem Wahlkampfauftritt im osttürkischen Igdir wurde Erdogan von einer Gruppe Frauen begrüßt, die dem Präsidenten demonstrativ ihren Rücken zeigten und dabei das Victory-Zeichen machten – das auch als Handzeichen des kurdischen Kampfes unter anderem der PKK fungiert. Wie Spiegel online berichtet, provozierte diese deutliche Geste der Ablehnung den Präsidenten so sehr, dass er die Protestlerinnen bei seiner Rede zurechtwies: »Wenn Sie nur ein Minimum an Freundlichkeit, Ehre und Kompetenz hätten, wäre das Parlament der Ort für Politik«.

Von so viel Eitelkeit des Präsidenten amüsiert, reagieren jetzt Frauen in der ganzen Türkei auf Twitter. Unter dem Hashtag #SirtimiziDönüyoruz (»Wir drehen dir unseren Rücken zu«) posten sie eine Flut von Bildern ihrer Rücken und Hinterseiten. Inzwischen haben auch Männer in den Rückenchor gegen Erdogan eingestimmt. Mit von der Partie sind außerdem Comics, Taubenrücken und erdoganfeindliche Hundehinterseiten. Die Rückenflut setzte den Hashtag in der Türkei innerhalb kürzester Zeit auf Platz 1 der Twittercharts (»Trending Topic«), sogar weltweit schaffte es #SirtimiziDönüyoruz auf Platz 3.

Dieser Twitterprotest mitten im Wahlkampf kommt Erdogan ungelegen. Die Gruppe der protestierenden Frauen gehört der linken und prokurdischen »Demokratischen Partei der Völker« (HDP) an, die von der deutschen LINKEN und inzwischen auch von den Grünen unterstützt wird. Die Partei setzt sich für den demokratischen Sozialismus ein. Sie könnte am kommenden Sonntag bei den Wahlen in der Türkei die Zehn-Prozent-Hürde nehmen und dadurch die absolute Mehrheit von Erdogans regierender AKP bedrohen.

Die sozialen Medien spielen für Protest und Bewegung in der Türkei eine zentrale Rolle. Schon bei den #occupygezi Protesten zur Erhaltung des Gezi Parks in Istanbul nutzten Aktivisten Twitter, um sich zu organisieren und gegen Polizeigewalt aufzubegehren. Auch im vergangenen Jahr nutzten Frauen Twitter für ihren Protest: Als im Juli Vizepremierminister Bülent Arinc sagte, Frauen sollten in der Öffentlichkeit nicht laut lachen, wurde er über Twitter mit lachenden Frauengesichtern überschwemmt.

Die demokratisch funktionierenden sozialen Internettplattformen sind ein wichtiges Instrument gegen das autoritäre Regime Erdogans. Dieser versucht daher immer wieder, dem Internetprotest den Hahn abzudrehen. Zuletzt sperrte er Twitter und Youtube landesweit Ende April. Grund war die Verbreitung eines Fotos, auf dem die Geiselnahme eines Staatsanwaltes in Istanbul zu sehen war. ek

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.