Zweifel an der Zukunft

Personalwechsel an der Spitze der Deutschen Bank löst keines der Probleme

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Jürgen Fitschen und Anshu Jain haben beim größten deutschen Bankhaus besser gearbeitet als es ihr Ruf vermuten lässt. Genutzt hat es ihnen wenig, wie der angekündigte Rückzug zeigt.

Paul Achleitner versuchte gleich nach dem überraschenden Ausgang der außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am Sonntag Druck vom Kessel zu nehmen. »Sitz der Deutschen Bank ist und bleibt Frankfurt«, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende des Geldgiganten einer Wirtschaftszeitung. Nur noch halbherzig bestätigte am Montag ein Sprecher auf nd-Anfrage das Zitat: »Wenn es da drin steht, steht es da drin.« Schließlich weiß heute niemand so genau, welchen Kurs das Flaggschiff der deutschen Finanzwirtschaft in Zukunft nehmen wird.

Von einem »Paukenschlag« sprechen Analysten. Der heftig in die Kritik geratene Co-Vorstandsvorsitzende Anshu Jain trat am Sonntag von seinem Chefposten zurück und wird am 1. Juli durch den Briten John Cryan ersetzt. Co-Chef Jürgen Fitschen verlässt die Bank ebenfalls, allerdings erst im kommenden Jahr - trotz eines laufenden Betrugsprozesses im Zusammenhang mit der Pleite des Medienunternehmers Leo Kirch.

Grund ist eine Geschichte, die an den Fußballzirkus erinnert. Die Ergebnisse, die der 52-jährige Engländer mit indischen Wurzeln Jain und der deutsche Manager Fitschen (66) seit längerem präsentieren, befriedigen die Aktionäre nicht. Der Börsenkurs dümpelt seit dem Amtsantritt der Doppelspitze im Juni 2012 vor sich hin. Während der Aktienindex DAX von einem Rekord zum nächsten boomt, mutierte dessen einstiges Aushängeschild zum Leichtgewicht mit einer Börsenkapitalisierung von 35 Milliarden Euro - selbst die spanische Bank Santander ist mehr als doppelt so viel wert.

Seit der klassische Deutsch-Banker Fitschen, der in seinem Heimatdorf bei Hamburg sesshaft blieb, und der polyglotte Investmentbanker Jain zusammenwirken müssen, läuft das Geschäft zumindest glücklos. Der angekündigte Kulturwandel, mit dem beide das durch die Finanzkrise verlorene Vertrauen zurückgewinnen wollten, blieb unglaubwürdig. Finanzgeschäfte mit Agrarrohstoffen hält Fitschen für gerechtfertigt. Und die über 8000 Investmentbanker kassierten 2014 laut einer Credit-Suisse-Analyse 152 000 Euro Boni - pro Nase. Auch die »Strategie 2015+« verpuffte: Immer noch sind die Ergebnisse in einzelnen Geschäftsfeldern schwach, gelten die Infrastruktur intern als veraltet und die Kosten als zu hoch.

Die Aktionäre hatten auf der Hauptversammlung Mitte Mai die beiden Bosse böse abgestraft. Nur 61 Prozent hatten sie entlastet - üblich sind 95 Prozent plus X. Ob damals schon die Großaktionäre Katar und der US-Vermögensverwalter Black Rock nur zustimmten, weil kein geeigneter Nachfolger in Sicht war, bleibt Spekulation.

Die US-Banken - sie gelten in Frankfurt als Messlatte - sind besser aus der Finanzkrise gekommen. Trotz ebenfalls milliardenschwerer Strafzahlungen für die Manipulation von Zinsen und dubiose Immobiliengeschäfte. Sie setzen wieder auf das riskante Investmentbanking. So profitierten sie von steigenden Kursen.

Dabei scheint die Deutsche Bank - deren Bilanzsumme mit 1700 Milliarden Euro fünf Mal größer ist als der Bundeshaushalt - für die Zukunft besser gerüstet, als es nach dem angekündigten Chefwechsel zum britischen Investmentbanker John Cryan erscheint. So bestand sie den Stresstest der Europäischen Zentralbank dank eines dicken Eigenkapitalpuffers. Die regulatorischen Anforderungen führten zu einem Bedeutungsgewinn der Festgehälter, und Boni werden erst nach fünf Jahren ausgezahlt - was mehr Solidität verspricht. »Ich glaube nicht, dass es eine Bank auf der Welt gibt, die konservativer damit umgeht als wir«, hatte Fitschen noch auf dem Neujahrsempfang gelobt. Kurzum: Die beiden Chefs hätten in einem schwierigen Umfeld »ihre Hausarbeiten gemacht«, so ein Analyst. Solche positiven Stimmen finden zwar kaum medialen Widerhall, sind aber unter Finanzmarktanalysten häufiger anzutreffen.

Auch wenn der Geldgigant, der weltweit über 100 000 Menschen beschäftigt, in Frankfurt ausharrt, das Kernproblem bleibt ungelöst. Das frühere Kraftzentrum der »Deutschland AG« hat den engen Kontakt zur Industrie verloren. Die boomt international, exportiert Kapital und investiert von Schanghai bis Brasilia Milliarden. Häufiger ohne die Deutsche Bank. Die Politik wünscht sich eine starke Großbank zurück. An der Börse wurde das erste Spiel nach dem Trainerwechsel gewonnen: Der Aktienkurs stieg rasant.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -