Die Kohle der Zukunft?
Brennstoffzellen eignen sich für Wärme- und Stromversorgung ebenso wie als Antrieb für Autos. Allerdings brauchen sie Wasserstoff. Am besten aus erneuerbaren Quellen.
Platin ist edel, so teuer wie Gold und ein chemischer Tausendsassa. Im Kontakt mit Platin beispielsweise wird giftiges Kohlenmonoxid zu harmlosem Kohlendioxid, weshalb es in Autokatalysatoren unverzichtbar ist. Mit dem magischen Stoff experimentierten schon im Biedermeier der Brite William Grove und der Deutsch-Schweizer Christian Friedrich Schönbein. Sie steckten Platindrähte in eine Säure und umspülten sie mit Wasserstoff und Sauerstoff. Das Spannende an der Reaktion: Es floss Strom. Damit war die erste Brennstoffzelle erfunden.
Über 100 Jahre dauerte es, bis die Technologie wirklich zur Stromproduktion eingesetzt wurde. Der Dynamo von Werner von Siemens war einfacher herzustellen - und er konnte Bewegungsenergie in elektrischen Strom verwandeln. Schließlich hob die Brennstoffzelle doch noch ab und startete in den 1960er Jahren an Bord der »Apollo«-Raumschiffe ins All.
Inzwischen fährt der Toyota Mirai, das erste Serienauto mit Brennstoffzelle, auf japanischen Straßen. Der französische Konzern Alstom will Eisenbahnen mit Brennstoffzellen bauen. Busse mit Brennstoffzellen gibt es auch schon und zum Heizen kann man die Brennstoffzelle ebenfalls nutzen. In kleinen Stückzahlen, aber immerhin in Serie, bieten die großen Hersteller die Geräte an.
Mit leuchtendem Beispiel geht das Bundesforschungsministerium voran. In seinem Neubau gegenüber dem Reichstag liefert eine Brennstoffzelle Strom und Wärme für die Büros. Unter dem Motto »Wärmewende im Heizungskeller« bekommen neuerdings auch Häuslebauer ihre Brennstoffzellenheizungen mit kräftigen Zuschüssen gefördert. Ein weiteres Marktanreizprogramm soll demnächst kommen.
Seit den ersten Experimenten entstanden die verschiedensten Typen von Brennstoffzellen. Die beiden großen Gruppen sind Niedertemperaturbrennstoffzellen mit bis zu 100 Grad Betriebstemperatur und Hochtemperaturbrennstoffzellen, deren Betriebstemperatur 1000 Grad erreichen kann.
Das Grundprinzip (siehe Grafik) ist immer ähnlich: Wasserstoff strömt an einem Katalysator vorbei - das muss heute nicht mehr unbedingt das teure Platin sein. Der US-Konzern General Electric etwa hat eine Brennstoffzelle mit Edelstahl entwickelt. Hochtemperaturzellen können sogar ganz ohne Katalysator auskommen.
Auf jeden Fall werden die Wasserstoffmoleküle in der Brennstoffzelle erst einmal in zwei positiv geladene Wasserstoffionen und zwei Elektronen zerlegt - ein elektrischer Strom fließt. In dieser Hinsicht funktioniert eine Brennstoffzelle also ähnlich wie eine Batterie. Gleichzeitig wird Wärme frei. Am Ende der Reaktion verbindet sich der Wasserstoff mit dem Luftsauerstoff zu Wasser. Eine Verbrennung findet, trotz des Namens, nicht statt. Insgesamt hat die Brennstoffzelle einen hohen Wirkungsgrad, ist abgasfrei und braucht keine fossilen Brennstoffe.
Trotzdem ist sie immer noch nicht im Alltag angekommen, obwohl die Hersteller das schon seit vielen Jahren ankündigen. Was war so schwer daran, sie marktreif zu machen?
Das Callux-Programm, ein von der Bundesregierung geförderter großer Praxistest für Brennstoffzellen als Heizung, zeigt für Alexander Dauensteiner, dass für die Serienreife der Brennstoffzellen für den Hauswärmebereich zuletzt noch einige Verbesserungen nötig wurden. So mögen die Zellen es nicht, wenn sie zu oft an- und ausgeschaltet werden. Das aber sei notwendig, wenn sie in einem Energiesystem der Zukunft mit Grünstromanlagen vernetzt seien, erläutert Callux-Sprecher Dauensteiner, der hauptberuflich beim Heiztechnikunternehmen Vaillant arbeitet. Von außen werden die Brennstoffzellen dann von den Stromversorgern angesprochen und liefern Elektrizität, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht.
Mit besseren Algorithmen zur Steuerung der Brennstoffzellen habe man das Problem in den Griff bekommen und die Lebensdauer erhöht, sagt der Ingenieur. »Das waren wunderbare Ergebnisse, viel besser als gedacht.« Einige Hersteller geben bereits 15 Jahre Garantie auf ihre Brennstoffzellen. »Es gibt aber bisher noch kein einziges Produkt, das seit 15 Jahren läuft. Ein Restrisiko bei der Haltbarkeit besteht«, räumt der Ingenieur ein. Die einzelnen Brennstoffzellen einer Anlage, die sogenannten Stacks, lassen sich einfach austauschen. In ihnen sind die Reaktionseinheiten scheibchenweise gestapelt.
Eine zweite Weiterentwicklung hängt ebenfalls mit den erneuerbaren Energien zusammen. Damit die Brennstoffzelle überhaupt von außen gesteuert werden kann, ist eine Kommunikationseinheit nötig. »Partner im Praxistest Callux haben dafür eine Universalschnittstelle entwickelt, mit der jeder Stromversorger mit jeder Brennstoffzelle sprechen kann«, berichtet Alexander Dauensteiner.
Geklärt ist auch, wie der benötigte Wasserstoff zur Brennstoffzelle kommen soll. Denn ein Wasserstoffversorgungsnetz gibt es zur Zeit nirgends auf der Welt. Erdgas hingegen ist weit verbreitet. Es besteht zum größten Teil aus Methan (CH4). Daraus muss in einem internen Prozess erst Wasserstoff gemacht werden. Reformieren nennen das die Techniker.
Alle Probleme sind damit allerdings noch längst nicht gelöst: So wird beispielsweise an besseren Speichermöglichkeiten für Wasserstoff geforscht. Am gestrigen Freitag erhielt Inga Bürger vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt den »Innovationspreis für Wasserstoff und Brennstoffzelle« für ihre Promotion, in der sie die Vorteile von zwei verschiedenen Hydriden miteinander verbindet. Hydride sind Verbindungen von Metallen oder einigen anderen chemischen Elementen mit Wasserstoff, die wie schwarzes Mehl aussehen können. Hydride aus Metall haben eine schnelle Reaktionszeit, die sogenannten komplexen Hydride eine höhere Speicherkapazität. »Wasserstoff lagert sich gern in so einem Hydrid ein und kann bei viel geringerem Druck dichter gepackt werden als in den heute üblichen Drucktanks«, sagt Inga Bürger.
Der von ihr entwickelte Reaktor - so nennt man diese Art Tanks - kann Wasserstoff doppelt so schnell aufnehmen wie ein herkömmlicher. Man benötigt also weniger Zeit zum Tanken.
Dafür packte die Forscherin ein poröses Rohr mit einem Metallhydrid aus Lanthan und Nickel in ein Rohr mit einem komplexen Hydrid aus Lithiumamid und Magnesium. Durch die Wärme, die das äußere Rohr auf das innere überträgt, ist eine schnelle chemische Reaktion möglich. Bisher steht einer breiten Anwendung aber »vor allem der Preis« entgegen, sagt Inga Bürger.
Kosten sind heute auf allen Gebieten das eigentliche Problem der Brennstoffzelle. Im Vergleich zu einer Gasbrennwerttherme ist eine Brennstoffzelle mehr als dreimal so teuer. »Da muss die Industrie jetzt in die vollautomatische Produktion investieren«, sagt Alexander Dauensteiner. Unter Bedingungen der Massenproduktion - das habe eine brandneue Studie des Beratungsunternehmens Roland Berger gezeigt - würde die Brennstoffzelle preislich mithalten können.
Hersteller von Brennstoffzellenautos stehen ebenfalls in einer Preiskonkurrenz. Ihr Gegner ist der seit 100 Jahren immer weiter perfektionierte Verbrennungsmotor. Doch sie müssen nicht nur Kosten der Motoren unterbieten. Zusätzlich muss die Kombination aus Brennstoffzelle, Elektromotor und Wasserstoffbehälter auch möglichst klein und leicht sein. »Je dünner aber die Schichten in den Stacks, desto korrosionsanfälliger werden sie«, berichtet Thomas Brachmann von Honda und Arbeitsgruppenleiter Mobilität beim Verband Clean Energy Partnership. In dem haben sich 20 Industriepartner zusammengeschlossen, um die Brennstoffzelle voranzubringen.
Herausforderung im Autobau, wo Niedrigtemperaturbrennstoffzellen eingesetzt werden, ist die Temperaturfestigkeit der Membran in der Mitte der Brennstoffzelle, berichtet Brachmann. Durch diese Folien wandern die Wasserstoffionen hindurch, wenn sie ihre Elektronen abgegeben haben, um sich auf der anderen Seite mit Luft zu Wasser zu verbinden. In einem Auto sind sie einer sehr dynamischen Belastung ausgesetzt.
Die Membran muss außerdem an allen Punkten gleich gut arbeiten. Honda beschichtet sie deshalb selbst mit einer Mischung aus Ruß und Platinpartikeln. Das größte Problem sei jedoch, dass sich in einer Brennstoffzelle unkontrolliert Wassertropfen bilden können und die Membran an dieser Stelle nicht mehr leitfähig ist. Zusammen mit dem Schweizer Paul-Scherrer-Institut, das auf Materialforschung spezialisiert ist, hat Honda mit Neutronenspektographie nach den Gründen geforscht.
Alles in allem aber ist die Brennstoffzelle inzwischen wirklich reif für die Anwendung. Ob sie ein Massenprodukt wird, hängt von politischen Weichenstellungen und den Verbrauchern ab. Denn noch wird der kommerziell angebotene Wasserstoff meist aus dem fossilen Energieträger Erdgas hergestellt. Doch man kann ihn ebenso mit Hilfe von überschüssigem Wind- und Sonnenstrom durch elektrolytische Spaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff produzieren - das ist der umgekehrte Vorgang, der in der Brennstoffzelle abläuft. Damit wären gleichzeitig die Speicherprobleme gelöst und genug Wasserstoff zum Heizen und Fahren vorhanden. Wie so ein Zusammenspiel funktionieren könnte, hat der Energiesystemtechniker Thorben Müller in seiner Magisterarbeit am Beispiel der Wasserstoffstadt Herten untersucht. Auch er bekam dafür gestern einen Innovationspreis vom Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband.
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