Ein Gott, ganz abgegriffen

Bis zu 1800 Jahre alte Statuette wird untersucht

  • Thomas Schöne, Halle
  • Lesedauer: 2 Min.
Das Bildnis eines mutmaßlich germanischen Gottes beschäftigt Archäologen in Halle. Dort wird jetzt die einzige in Mitteldeutschland gefundene bronzene Gottheit untersucht.

Eine womöglich 1800 Jahre alte miniaturisierte germanische Götterstatuette steht derzeit im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle auf dem Prüfstand. »Die Figur ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein sakraler Gegenstand. Dargestellt ist ein anbetungswürdiges Wesen männlichen Geschlechts, sicherlich ein Gott«, so Archäologe Arnold Muhl. »Das Figürchen hatte Georg Freiherr von Werthern (1816-1895) im Jahr 1884 auf einem seiner Äcker in Thüringen entdeckt.« Sein Sohn hatte den Fund 28 Jahre später (1912) dem gerade neu erbauten damaligen Provinzialmuseum geschenkt.

»Aktuelle Nachforschungen ergaben, dass die Vollplastik aus Wallendorf stammt. Der Ort wurde im Mittelalter aufgegeben. Der Finder ging deshalb davon aus, dass die Figur aus dem Mittelalter stammt«, sagte Muhl. Das sei aber anhand von vergleichenden Analysen ausgeschlossen worden. »Vielmehr wurde das Stück in einer germanischen Werkstatt im 3. bis 6. Jahrhundert gefertigt.«

Die Figur ist aus Bronze, 7,1 Zentimeter hoch und 114,5 Gramm schwer. Ähnliche Götterfiguren wurden auf den dänischen Inseln gefunden. »Römische Soldaten, die dort stationiert waren, hatten kleine Götterfiguren bei sich. Offenbar ahmten manche Germanen diese Tradition nach und gossen ihre Götter ebenfalls in Bronze, allerdings nicht in der handwerklichen Qualität wie die römischen Stücke«, erläuterte Muhl.

Bei dem bislang einzigen Stück aus Mitteldeutschland seien zwar beide Unterarme abgebrochen. Es ist aber noch erkennbar, dass sie nach vorne gewinkelt waren. Das Geschlecht lässt sich lediglich aufgrund der Brustanatomie als Mann interpretieren. Das Artefakt ist abgegriffen sowie mit Kratz- und Schürfspuren versehen.

»Die Zusammensetzung der Bronze entspricht in der Materialqualität römischer Großstatuen. Offenbar wurde römisches Altmetall eingeschmolzen und neu gegossen«, folgerte der Leiter der Restaurierungswerkstatt des Landesmuseums, Christian-Heinrich Wunderlich. dpa/nd

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