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Schauprozess gegen »Nr. 20« der Attentäter
Selbst den großen USA-Medien erscheint der Terrorismus-Fall fabriziert
Und der Fall erscheint sogar den großen Medien als fabriziert - noch bevor das Gerichtsverfahren begonnen hat. Doch den Zusammenhang zwischen den fehlenden Beweisen in Sachen 11. September und seiner Folge, dem Krieg gegen Afghanistan, herzustellen, wagt in der Öffentlichkeit bislang noch niemand. Dem Franko-Marokkaner Zacarias Moussaoui, gegen den am 2. Januar im Bundesstaat Virginia offiziell Anklage erhoben wird, droht deshalb ein Schauprozess und möglicherweise die Todesstrafe. Moussaoui werden sechs Verbrechen vorgeworfen, bei vier von diesen lautet die Höchststrafe Hinrichtung. Vorgeworfen wird ihm, dem mutmaßlichen 20. Mann bei den Flugzeugentführungen, in der Anklageschrift »Verschwörung mit Osama bin Laden und Al-Qaida zur Ermordung tausender unschuldiger Menschen in New York, Virginia und Pennsylvania am 11. September«.
Der 33-jährige Franzose marokkanischer Eltern habe die gleiche Ausbildung wie die Entführer gehabt, er sei in einem afghanischen Lager Al Qaidas ausgebildet worden und habe Geld aus Deutschland und Nahost erhalten, nannte USA-Justizminister John Ashcroft einige »Beweise«, die zur Verurteilung Moussaouis führen sollen. Der Mann befand sich bereits seit dem 17. August im Gewahrsam der amerikanischen Behörden. Er war dreieinhalb Wochen vor den Anschlägen wegen eines Verstoßes gegen die Einreisebestimmungen festgenommen worden. Tatsächlich ist in der 30-seitigen Anklageschrift, die am Dienstag der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, von Zacarias Moussaoui selbst kaum die Rede. Nicht ein Beweis ist aufgeführt, dass er mit einem der 19 Entführer direkte Kontakte hatte.
Vielmehr sind darin andere Dinge aufgelistet: ein Teil der Geschichte Al Qaidas, die Chronologie der Ereignisse vor den Angriffen, eine Rekonstruktion der Geldtransfers, die die Anschläge finanziert haben sollen, sowie die Tagesabläufe der Entführer. Als Ort des Verfahrens wählte das US-Justizministerium bewusst nicht New York aus, das eher liberale Richter und Geschworene hat, sondern das erzkonservative Virginia, in dem mit der Verhängung der Todesstrafe auch im Zweifelsfall nicht lange gefackelt wird. Verantwortlich für die Justiz ist dort Paul McNulty, ein alter Freund der Bush-Familie und Weiße-Haus-Anwalt. Es handele sich um einen »klassischen Verschwörungsfall«, hieß es in der »New York Times« am Donnerstag: »Im weitesten Sinne rechnet sich die Regierung anscheinend aus, dass Mr. Moussaouis Verfahren die beste und wahrscheinlich einzige Möglichkeit ist, vor der Welt aufzurollen, dass Osama bin Laden und sein Netzwerk für die Angriffe verantwortlich sind«.
So sind die Behörden darauf aus, Moussaouis Schuld durch eine Indizienkette nachzuweisen. Unter anderem habe er Messer gekauft, sich für Flugunterricht eingeschrieben, sei nach Afghanistan gereist und einem Fitnessstudio beigetreten. Ausserdem gebe es Parallelen zu Ramsi Binalshibh (!!!, M.B.), einem in Hamburg lebenden, mutmaßlichen Al Qaida-Mitglied, der vor einem Jahr in London untertauchte. Dieser habe nicht nur dem Entführer Marwan Al-Schehhi, der das Flugzeug in das Pentagon stürzen ließ, Geld überwiesen, sondern parallel dazu auch Moussaoui. Das Justizministerium habe »keinen Beweis vorgelegt, dass Zacarias Moussaoui direkt Terrorismus, Mord oder Flugpiraterie begangen hat«, zitierte die »Washington Post« Rechtsexperten. Dennoch ist nach USA-Recht eine Verurteilung wegen »Verschwörung« möglich, wie Philip B. Heymann, Professsor für Strafrecht an der Bostoner Harvard-Universität bestätigt: »Es reicht, wenn man der Begehung eines Verbrechens oder allgemein einem strafrechtlich relevanten Verhalten zustimmt«, erklärt er, »nach Bundesstrafrecht reicht ein offenes Verhalten aus. Das kann schon ein Brief sein, den man verschickt.«
Ob und inwieweit das USA-Justizministerium die Hunderte von »Verdächtigen«, die seit dem 11. September von der Polizei abgeführt und für unbestimmte Zeit in meist unbekannte Gefängnisse verfrachtet worden sind, mit Al Qaida in Verbindung bringen will, bleibt unterdessen unklar. In gewisser Weise hat Moussaoui sogar das Glück, in einem Schauprozess der Angeklagte zu sein. Denn im Vergleich zu den als Al-Qaida-Mitgliedern verdächtigen Kriegsgefangenen in Afghanistan, denen geheime USA-Militärtribunale unter der Regie des Pentagon drohen, wird der Moussaoui-Prozess von den amerikanischen Medien aufmerksam mitverfolgt werden. So könnte sich das Verfahren letztendlich doch noch als Fabrikation entpuppen - womit weder »Beweise« noch Rechtfertigungsgründe für den Afghanistankrieg vorlägen. Dass der USA-Justizminister John Ashcroft sich, dem FBI und der CIA eine derartige Blamage auf jeden Fall ersparen will, gilt als sicher. Nur wie - bleibt das große Fragezeichen.
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