Gut bezahlt, schlecht geschützt

Neue Studie des Wirtschaftsministeriums zu Gefängnisarbeit in der DDR

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Arbeit in Gefängnissen ist weltweit üblich. In der DDR habe sie jedoch unter so prekären Bedingungen stattgefunden, dass sie als »Zwangsarbeit« einzustufen sei - behauptet eine neue Studie.

Dass die Insassen von DDR-Gefängnissen zu Arbeit verpflichtet waren, ist »für sich genommen keine zu skandalisierende Tatsache«, schreibt der Potsdamer Historiker Jan Philipp Wölbern in seiner Studie »Die historische Aufarbeitung der Zwangsarbeit politischer Häftlinge im Strafvollzug der DDR«. Die UN verlangen von ihren Mitgliedern eine sinnvolle Beschäftigung von Gefangenen, das Grundgesetz erlaubt ausdrücklich »Zwangsarbeit« bei gerichtlichem Freiheitsentzug.

Gleichfalls nicht skandalisieren lässt sich der Studie zufolge das gezahlte Entgelt: Dieses lag in der Ulbricht-Ära bei 25 Prozent des üblichen Lohnes, nach Inkrafttreten des DDR-Strafvollzugsgesetzes 1977 bei 18 Prozent, wenn auch im sogenannten Strengen Vollzug teils nur sieben Prozent ausgezahlt wurden. In der alten Bundesrepublik belief sich dieses Verhältnis, wie Wölbern schreibt, auf höchstens sechs Prozent. Für die Gegenwart ist von etwa neun Prozent auszugehen.

Auch wurde in der DDR 1977 Gefängnisarbeit vollumfänglich sozialversichert, was in der Bundesrepublik noch immer nicht der Fall ist: Deren auch 1977 verabschiedetes Strafvollzugsgesetz fordert dies zwar, doch ergeben sich - worauf die vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragte Studie nicht eingeht - aus Gefängnisarbeit bis heute etwa keinerlei Rentenansprüche.

Dass die Studie die Gefängnisarbeit in der DDR nicht als legitime Arbeitsverpflichtung, sondern als illegitime »Haftzwangsarbeit« einstuft, sei, wie Wölbern schreibt, »zwar problematisch, aber in differenzierter Form durchaus begründbar.«

So wurde, was eine von der DDR nicht gezeichnete Norm der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verbietet, Arbeit insofern als politisches Zwangsmittel eingesetzt, als viele (während der 1980er stark abnehmend) Gefangene nur wegen politischer Abweichung, »Republikflucht« o.ä. verurteilt wurden.

Mit dem Blick speziell auf die »Politischen« lasse sich zweitens von illegitimen Verhältnissen sprechen, insofern diese gegenüber den »Kriminellen« im Arbeitsprozess benachteiligt worden seien. Eine systematische Schlechterbehandlung sei nicht belegbar, doch könne dies angesichts üblicher Gefängnishierarchien angenommen werden: Von Funktionen wie der des »Brigadiers« waren »Politische« ausgeschlossen - und die »Kriminellen« in diesen Positionen hätten ihnen oft harte oder gefährliche Arbeit zugewiesen. Berichte von Gefangenen nennen aber auch positive Aspekte: Abwechslung im bedrückenden Haftalltag.

Drittens stützt die Studie ihr Fazit illegitimer Haftzwangsarbeit auf die These, dass diese Arbeit im Gegensatz auch zu DDR-Gesetzen nicht primär »Erziehung« oder »Resozialisierung« gedient und auch nicht die Fähigkeiten der Gefangenen berücksichtigt, sondern ökonomischen Notwendigkeiten gehorcht habe und in die Wirtschaftsplanung einbezogen worden sei. Obgleich Wölbern den Anteil von Gefängnisarbeit an der Wirtschaftsleistung auf nur 0,2 bis 0,9 Prozent beziffert und an einem Beispiel vorrechnet, dass diese insgesamt unprofitabel war, habe sie dennoch eine erhebliche Bedeutung gehabt. Häftlinge seien an »neuralgischen Punkten« eingesetzt worden, für die sich keine Beschäftigten gefunden hätten und teils auch zur Erwirtschaftung von Devisen.

Weiterhin seien die Arbeitsbedingungen massiv hinter üblichen Standards zurückgeblieben. Der »Zwangscharakter« der Gefängnisarbeit »resultierte (...) weniger aus der (...) Tätigkeit an sich«, so Wölbern, als daraus, dass die Arbeitsbedingungen »vielfach äußerst schlecht« waren. Dies belegten auch behördliche Berichte. Gefangene seien oft in der Elektro-, Metall- und Textilbranche eingesetzt gewesen und kaum in der Chemie-, der Energie- und der Baustoffindustrie.

Wölbern zeichnet ein differenzierteres Bild als Staatssekretärin Iris Gleicke und BStU-Chef Roland Jahn, die seine Studie präsentierten - wobei Gleicke sich hinsichtlich von Entschädigungen prophylaktisch »sehr skeptisch« zeigte. Kritisch anzumerken ist, dass nicht immer deutlich wird, ob sich die Diagnose des »Zwangscharakters« nur auf die Arbeit politischer oder aller Gefangenen bezieht. Zudem wäre, wenn etwa die schlechtere Gesundheitsversorgung in Haft skandalisiert wird, zumindest zu berücksichtigen, dass sich diesbezüglich auch in westlichen Rechtsstaaten große Diskrepanzen ergeben - und auch in der Bundesrepublik etwa das Verweigern von Haftarbeit unter empfindlichen Sanktionsdrohungen steht.

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