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In Jerewan droht »Elektro-Maidan«

Dritter Tag des Protestes in Armeniens Hauptstadt gegen steigende Strompreise

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Barrikaden aus Mülltonnen auf dem Bagramjan-Prospekt, einer der beiden Hauptstraßen, legen den Verkehr in Armeniens Hauptstadt Jerewan bereits den dritten Tag lahm.

Anders als in der Nacht zu Dienstag, als die Polizei das Protestmeeting mit Wasserwerfern auflöste und etwa 250 Teilnehmer festnahm, greift sie dieses Mal in Armeniens Hauptstadt nicht ein. Prominente Intellektuelle und oppositionelle Abgeordnete, die aus Protest gegen den »beispiellosen Einsatz von Gewalt« - darunter auch gegen zufällige Passanten und Journalisten - eine Krisensitzung der Nationalversammlung in Jerewan verlassen hatten, bilden seit Mittwoch eine »lebende Wand« zwischen Ordnungshütern und Protestlern.

Anlass für den Aufruhr sind die Strompreise, die in den letzten beiden Jahren bereits dreimal angehoben wurden und zum 1. August erneut deutlich steigen sollen. Vergangenen Donnerstag gingen die ersten Armenier dagegen auf die Straße und stellten Präsident Sersh Sargsjan ein Ultimatum, das Montag ablief: Rücknahme der Tariferhöhung oder Massenproteste. Die sind inzwischen Realität. Tagsüber halten mehrere Hundert Menschen die Stellung, nach Arbeitsschluss sind es Zehntausende.

»Nein zu Raub« nennt sich eine spontan gegründete Bewegung, die die Proteste organisiert. Sie hätten keine politische Komponente und seien auch nicht vom Ausland gesteuert, glauben staatsnahe armenische Politologen. Kollegen in Russland indes ziehen Parallelen zur Ukraine und der »Rosen-Revolution«, die 2003 in Georgien prowestliche Kräfte an die Macht spülte. Medien sprechen bereits von »Elektro-Maidan« und »Steckdosen-Revolution«. Womöglich zu Recht.

Zwar kochen in Armenien, wo es bereits im 19. Jahrhundert Parteien europäischen Zuschnitts gab, die die Massen stark polarisierten, politische Leidenschaften schnell hoch. Proteste mit bis zu 200 000 Teilnehmern gab es in der knapp drei Millionen Einwohner zählenden Republik im Südkaukasus schon des Öfteren. Vor allem nach Wahlen, wo die jeweils Unterlegenen dem Sieger Manipulation vorwarfen. Doch diesmal, so ein Führungsmitglied des Armenischen Nationalen Kongresses (ANK) - einem Bündnis aus 13 oppositionellen Parteien, das sieben Abgeordnete in der Nationalversammlung hat - würde sich lang angestauter Frust über Fehlentwicklungen entladen.

Gemeint war damit auch die enge Bindung an Moskau. Russische Unternehmen kontrollieren Filetstücke der armenischen Wirtschaft. Stromerzeuger und Netzbetreiber sind Töchter des russischen Staatskonzerns RAO JEES. Er hat auch die Tariferhöhungen zu verantworten. Die russische »Nesawissimaja Gaseta« sprach von »kalter Integrationsdusche«: Armenien ist seit 2. Januar Mitglied der Eurasischen Wirtschaftsunion und gehört dem prorussischen Verteidigungsbündnis der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS an. Russland hat dort 5000 Soldaten stationiert.

Die Truppenbasis ist Moskaus einzige im strategisch wichtigen Südkaukasus. Auch Armenien hatte Nikolai Patruschew, Koordinator des russischen Nationalen Sicherheitsrates im Blick, als er am Montag Washington Sponsoring von Revolutionen im postsowjetischen Raum vorwarf. Die Generalstabsakademie, so die Tageszeitung »Kommersant«, arbeite schon an Plänen zur Neutralisierung. Armenien gegenüber, glauben Kenner der Region, verfüge Moskau mit dem Konflikt um Berg-Karabach über ein starkes Druckmittel. Sollte in Jerewan eine pro-westliche Regierung übernehmen, bekäme Aserbaidschan vom Kreml grünes Licht, sich die abtrünnige Region mit militärischer Gewalt zurückzuholen.

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