Bremens Fischer wissen wieder, wer sie sind
Die letzte Zunft der Hansestadt erhält ihre Jahrhunderte alte Amtsrolle zurück
So viel Glück hat die Hansestadt an der Weser selten: Bremen hat etwas ebenso Wertvolles wie Einmaliges zurückbekommen. Es geht um fast 500 Jahre alte Handschriften - die Amtsrolle des Bremer Fischeramtes in Form zweier Bücher. Sie gingen nach dem Zweiten Weltkrieg verloren, tauchten kürzlich bei einer Versteigerung wieder auf und wurden angekauft.
Das Bremer Fischeramt existiert noch immer als letzte hansestädtische Zunft und ist ausgestattet mit aus dem Mittelalter stammenden Rechten. So darf die Zunft festlegen, wer wann wo was angeln darf. Also war das Interesse dort groß, die angebotenen Bücher zu erwerben. Die kamen schließlich ganz unscheinbar in einem Pappkarton per Paketversand.
Fischeramts-Altmeister Peter Koch-Bodes scherzte vor der Presse, die Kosten für den Rückkauf hätten die Auswärtigen getragen: Denn wer keinen Wohnsitz in Bremen hat, muss für 40 Euro einen Angelschein beim Fischeramt kaufen. Den Einheimischen hingegen ist es nach Bremer Recht noch immer erlaubt, für den eigenen Herd einfach so in der Weser mit dem Stock zu angeln.
Der Leiter des Bremer Staatsarchivs, Konrad Elmshäuser, strahlte vor Glück in die Presserunde. Denn vor rund einem Jahr sei eine ebenfalls mittelalterliche »Kundige Rolle«, ein fast sieben Meter langes Pergament, auf dem die Bremer Gesetze fest- und fortgeschrieben wurden, aus den USA nach Bremen zurückgekehrt. Die »Kundige Rolle« wurde in der Hansestadt vermisst und es war klar, dass sie nach den Auslagerungen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs nicht den Weg zurück nach Bremen gefunden hatte. Weil es in diesem Fall Nachweise für das Dokument gab, musste es nicht zurückgekauft werden, sondern wurde schließlich zurückgegeben. Lediglich die Auslagen des Auktionshauses, das die »Kundige Rolle« im Programm hatte, musste Bremen erstatten.
Eine Handschrift von solchem Wert und Format zurückzubekommen, sei schon sehr selten, so Elmshäuser. Aber innerhalb von so kurzer Zeit gleich zweimal uralte Dokumente zurückzuerhalten, sei außergewöhnlich.
Für die Amtsrolle des Fischeramtes waren im riesigen Fundus des Staatsarchivs und auch im Fischeramt selbst keine Nachweise zu finden, so konnte sie auch nicht zurückgefordert und musste gekauft werden. Zunächst hatte ein New Yorker Auktionshaus die beiden Bücher angeboten. Ein niederländischer Händler hatte sie unbesehen für 10 000 Euro ersteigert und später darin mehrfach das Wort »Bremen« entdeckt. Also bot er seinen Fund dem Bremer Staatsarchiv an. Das habe sich zunächst zögerlich verhalten, so Elms-häuser. Der geforderte Preis war für Bremer Verhältnisse recht hoch. Dann aber, so der Staatsarchivleiter, rückte der Händler, der erst nur ein Buch angeboten hatte, damit heraus, dass er das zweite als Zugabe drauflegen würde.
Gleich bei der ersten Begutachtung des Ansichtsmaterials stellte sich heraus, dass die »Zugabe« der eigentlich große Coup ist. Denn die trug das noch gut erhaltene Siegel, das die Echtheit der Fischeramts-Rolle bewies. Über den tatsächlichen Kaufpreis wurde zwischen dem Händler und dem Fischeramt Stillschweigen vereinbart, aber Elmshäuser verriet soviel, dass es sich um eine mittlere fünfstellige Summe handele. Das Fischeramt übergab nun die beiden Handschriften dem Staatsarchiv zur sachgemäßen Aufbewahrung und Nutzung nach Bremer Archivrecht, will sagen: Freigabe für Forschungszwecke.
Wie die Bücher, deren unschätzbarer Wert von immaterieller Natur ist, einst in die USA gelangten, ist nicht klar. Aber Elmshäuser gab die bekannten Fakten preis: Die Fischeramtsrollen wurden gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in die Zunftlade gelegt, diese wurde verschlossen und mit anderen Dingen in einen Salzstock ausgelagert. Als der nach Kriegsende wieder geräumt wurde, bekam das Fischeramt zwar die Zunftlade zurück. Doch diese war aufgebrochen, die fast 500 Jahre alten Fischeramtsbücher waren verschwunden.
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