Nigerias Präsident noch ohne Kabinett

Staatschef will erst mit der Korruption aufräumen - oder laut Opposition Alleinherrscher werden

  • Anne Gonschorek, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.
Einen Monat nach seinem Amtsantritt hat Muhammadu Buhari noch immer kein Kabinett. Doch der neue nigerianische Präsident hat eine Reihe von Problemen, vor allem Boko Haram.

Kaum im Amt, steckt Nigerias Präsident Muhammadu Buhari schon bis zum Hals im Schlamassel: Nigerias Wirtschaft ist so stark von der Erdölindustrie abhängig, dass der Preisverfall für das einstige schwarze Gold das Land in eine tiefe Krise gestürzt hat. Die nigerianische Währung, der Naira, fällt immer weiter, Zehntausende Beamte können schon seit Monaten nicht bezahlt werden und der Norden des Landes wird fast täglich von der islamistisch-extremistischen Miliz Boko Haram angegriffen.

Dennoch hat Buhari auch einen Monat nach seinem Amtseintritt noch immer kein Kabinett benannt, das ihm bei der Bewältigung dieser Probleme helfen könnte. »Wir sorgen uns zutiefst darüber, dass der Präsident, der versprach, sein Kabinett zwei Wochen nach seinem Amtseintritt zu verkünden, noch immer nicht in der Lage war, Schlüsselfiguren zu ernennen«, heißt es in einer Stellungnahme der People’s Democratic Party, Buharis Opposition. Der Kritik, dass seit seiner Wahl alles nur sehr langsam vorangehe, steht der Präsident dagegen gelassen gegenüber. Er sagt, er wolle lediglich sicherstellen, dass seine Regierungsmannschaft korruptionsfrei sei.

In den 80er Jahren regierte Buhari als Militärdiktator und verhaftete viele korrupte Politiker, die von Militärgerichten in einigen Fällen sogar zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. Im März dieses Jahres wurde er vom nigerianischen Volk zum Präsidenten gewählt. Buhari wurde damit das erste Oberhaupt Nigerias, das seinen Vorgänger auf einem demokratischen Wege abgelöst hat - auch er selbst war einst 1985 aus dem Amt geputscht worden.

Die Probleme Nigerias liegen tief. Denn unter der fünfjährigen Regierung Goodluck Jonathans herrschte Korruption auf allen Ebenen. Erst kürzlich ließ eine Regierungsbehörde verlauten, dass mehr als 20 Milliarden Dollar (18,1 Milliarden Euro) an Ölerträgen verloren gegangen seien. Selbst Regierungsrücklagen, die über Ölpreisschwankungen hinweg helfen sollen, schrumpften von 4,1 Milliarden Dollar im November auf jetzt 2 Milliarden.

Buhari fackelte nicht lange und löste den gesamten Vorstand der nigerianischen Ölgesellschaft National Petroleum Corp auf. Er versprach, gestohlene Staatsgelder wieder zu beschaffen. Seine Befürworter hoffen, dass Buhari mit starker Hand einen lang benötigten Wandel in der nigerianischen Politikkultur herbeiführen werde. Seine Gegner befürchten, dass er deshalb noch kein Kabinett gewählt hat, weil er ihrer Meinung nach abermals als Alleinherrscher die Führung übernehmen wolle.

Doch ein noch dringenderes Problem als das Kabinett ist Boko Haram. Die islamistische Terrormiliz hat bereits über 13 000 Menschenleben auf dem Gewissen und zwang mehr als 1,5 Millionen Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat. Allein in der vergangenen Woche tötete Boko Haram über 200 Nigerianer in fast täglichen brutalen Angriffen.

Um ein Zeichen zu setzen, setzte Buhari durch, dass ein nigerianischer General die multinationalen Truppen anführt. Außerdem veranlasste er, dass Nigerias Militär seinen Hauptstützpunkt von der Hauptstadt Abuja in der Mitte des Landes zur nordöstlichen Stadt Maiduguri verlegt, dem Geburtsort Boko Harams. Ein Sprecher Buharis redete von der »absoluten Verpflichtung der Regierung, alles mögliche zu tun, um Boko Haram, Terrorismus und sinnlosen Extremismus in Nigeria so schnell wie möglich auszumerzen«.

Die Wahl eines Kabinetts könnte noch auf sich warten lassen. »Es wird noch zwei Monate dauern, bevor Minister an Bord kommen können«, heißt es vom Medienberater des Präsidenten, Garba Shehu. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärte er: »Jetzt könnten sie dem Aufräumprozess im Weg stehen.«

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