»Die Armen haben die politische Bühne betreten«

Mitglied des SYRIZA-Zentralkomitees über die Entstehung eines neuen politischen Systems

  • Blockupy goes Athens
  • Lesedauer: 2 Min.
Zwei Tage nach dem Referendum sprach das Blockupy-Mediateam mit Yannis Albanis, Mitglied des SYRIZA-Zentralkomitees. Albanis ist der Meinung, dass in Griechenland ein neues politisches System entsteht.

Wir dokumentieren den Bericht von Yannis Albanis in Auszügen, übersetzt ins Deutsche.

Albanis: »(...) Es gab eine große JA-Kampagne vor dem Referendum. Die Organisatoren setzten darauf, dass es Massenproteste gegen die Regierung geben würde, wenn die Banken geschlossen haben. Aber es kam anders. Es gab viele Demonstrationen zur Unterstützung der Regierungspolitik und gegen das Ultimatim von EU-Kommission, EZB und IWF.

Aus der Krise ist ein neues politisches System hervor gegangen. Die Repräsentationskrise hat zu neuen Formen politischen Ausdrucks geführt. (...) Die Armen haben die politische Bühne betreten. Wir erleben einen einzigartigen Moment in der Geschichte. Die Massen der Unsichtbaren, der Vergessenen, der gesellschaftlich Marginalisierten sind normalerweise aus der europäischen Politik ausgeschlossen, die von der Mittelklasse bestimmt wird. (...)

Das Referendum ist zunächst das Ergebnis des Scheiterns der Verhandlungen. Aber gleichzeitig gab es der Bevölkerung zum ersten Mal seit Jahren die Möglichkeit, ihre Meinung zu einer sehr wichtigen politischen Frage zu äußern. Die Bevölkerung ist in die erste Reihe der politischen Akteure vorgetreten. Gegen die konservativen Medien, gegen den EU-Terrorismus, gegen die bürgerliche Politik, gegen jeden Druck von außen hat sie ihre Gedanken, Gefühle und ihre Angst ausgedrückt.

Dieser neue demokratische Raum öffnete sich und ließ eine neue Form von Klassenpolitik entstehen. Ihr habt ja gesehen, dass in den armen Stadtvierteln und unter jungen Menschen in sehr hohen Prozentzahlen für das NEIN gestimmt wurde.

Wir erleben jetzt eine große Welle der Politisierung in der Gesellschaft. Es sind Leute zu den Demonstrationen gegangen, die das vorher noch nie gemacht hatten. Auch abseits derDemonstrationen wird diskutiert: Auf der Straße, in den Bussen, in den Geschäften, in den sozialen Medien, zu Hause. Keiner ist mehr gleichgültig, es gibt niemanden, der keine Meinung hat. (...)«

Blockupy: »Was wird in Brüssel passieren? Gehst du von neuen Verhandlungsergebnissen oder von einem Grexit aus?«

»(...) Entweder gibt es eine Einigung, die der griechischen Wirtschaft ermöglicht, zu atmen und sich zu stabilisieren, die auch die Perspektive einer Verbesserung der Lebensbedingungen öffnet. Das wäre eine Einigung, die auf der Schuldenumstrukturierung basiert und die keine Steuern bei den Armen eintreibt.

Oder der Konflikt wird eskalieren. Die Entscheidung liegt aber nicht bei Griechenland, das ist die Entscheidung der Gläubiger. Werden sie die griechische Bevölkerung für ihre Entscheidung bestrafen, in Würde leben zu wollen, dafür, dass sie ihr demokratisches Recht in Anspruch genommen haben? Oder verstehen sie endlich, dass das Fortführen ihrer Politik die Situation in Griechenland immer weiter eskalieren wird?

Wenn die griechische Bevölkerung so etwas wie einen Sieg erringt, oder wenn sie es auch nur schafft, zu überleben, dann wird sie ein Vorbild für die Bevölkerung in Südeuropa, ja in ganz Europa sein.«

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