Schwermetall im Kinderzimmer
Bundesrepublik muss sich künftig an EU-Richtlinie für Spielzeug halten
Wie viele giftige Schwermetalle dürfen in Kinderspielzeug enthalten sein? Fragte man Eltern oder Kinder, lautete die Antwort vermutlich »gar keine«. Der Gesetzgeber aber legt gern Grenzwerte fest, die angeben, ab welcher Konzentration bestimmte Stoffe für Mensch, Tier und Umwelt gefährlich sein könnten. Die Berechnung dieser Werte ist für den Laien kaum nachvollziehbar, zudem gelten teils unterschiedliche Regelungen in unterschiedlichen Ländern. EU-Richtlinien sollen das zumindest in Europa vereinheitlichen. Die Mitgliedsländer müssen sie umsetzen, außer bei ihnen gelten strengere Regelungen.
Ob das tatsächlich so ist, müssen im Einzelfall Gerichte klären. Jüngstes Beispiel: die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) über Grenzwerte für die Schwermetalle Antimon, Arsen und Quecksilber in Spielzeug. Die Bundesrepublik hatte gegen die »Richtlinie 2009/48/EG über die Sicherheit von Spielzeug« geklagt, weil sie ihre eigenen Grenzwerte für die drei als krebserregend und gesundheitsgefährdend eingestuften Stoffe für strenger hielt. Der EuGH urteilte nun allerdings endgültig, dass Deutschland sich der EU-Richtlinie unterordnen muss. Zwar könne sich ein Staat darauf berufen, »dass seine einzelstaatlichen Bestimmungen ein höheres Schutzniveau für die öffentliche Gesundheit gewährleisten« als die EU-Bestimmungen. Einen Nachweis dafür habe Deutschland aber im Fall der Schwermetallgrenzwerte nicht erbracht.
Hauptstreitpunkt in dem Verfahren war eine geänderte Berechnungsweise gegenüber der alten EU-Spielzeugrichtlinie von 1988, die Deutschland beibehalten wollte. Die Grenzwerte legten fest, welche Konzentration von Antimon, Arsen oder Quecksilber pro Kilogramm Körpergewicht und Tag höchstens aufgenommen werden durfte. Die neue EU-Verordnung definiert dagegen einen »Migrationsgrenzwert«. Der setzt beim Produkt an und legt fest, welche Mengen an Schwermetallen oder anderen Giftstoffen ein Spielzeug höchstens freisetzen darf. Für unterschiedliche Stoffe gelten dabei verschiedene Grenzwerte - für flüssige Materialien wie Seifenblasenwasser etwa sind sie wesentlich strenger als für trockene wie Kreide. Abgeschabte Plastik- oder Lackteilchen dürfen sogar noch höhere Schadstoffmengen enthalten.
Dagegen wehrte sich Deutschland: Die »Bioverfügbarkeitsmethode« nach der alten EU-Richtlinie ergebe etwa für abgeschabte Materialien strengere Grenzwerte als die neue, argumentierten die Kläger. Das bestätigten die EuGH-Richter. Doch sei »abgeschabtes Material für das Kind schwerer zugänglich als trockenes oder flüssiges Material, das von ihm leicht verschluckt und damit in größeren Mengen aufgenommen werden könne«, heißt es in der Urteilsbegründung.
Schwermetalle können Krebs auslösen, Entwicklungsverzögerungen oder schwere Störungen des Nervensystems verursachen. Die giftigen Stoffe haben im Kinderzimmer also nichts zu suchen. Auf unterschiedlichen Wegen gelangen sie dennoch in die Hände - und damit oft in den Mund - von Kindern: Blei und Quecksilber etwa finden sich in Batterien, auch wenn die Grenzwerte drastisch verschärft wurden. Antimon kann in Farbpigmenten oder Flammschutzmitteln enthalten sein. Grundsätzlich aber sollten »Arsen, Cadmium, Chrom (VI), Blei, Quecksilber und Organozinnverbindungen (...) in Kindern zugänglichen Spielzeugteilen nicht absichtlich verwendet werden«, heißt es in der Richtlinie 2009/48/EG.
Möglichst restriktive Grenzwerte sind also wünschenswert. Der Streit um Obergrenzen und Berechnungsmethoden für Arsen, Antimon und Quecksilber ist mit dem Urteil zunächst beendet - Deutschland muss sich künftig an die EU-Obergrenzen halten. Über die ebenfalls strittigen Grenzwerte für Blei muss die EU-Kommission neu entscheiden, da der Beschluss dazu »widersprüchlich« sei, so der EuGH. Der Streit über Barium dagegen habe sich erledigt, da die EU neue Werte festgelegt habe, mit denen Deutschland einverstanden sei.
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