Teure Reise ins Irgendwann
Rendsburger Kanaltunnel ist seit 2011 eine Baustelle
Für den Logistikverband Schleswig-Holstein ist der Fall klar: »Deutschlands peinlichste Baustelle«, so nennt die Interessenvertretung des Transportwesens die Sanierungsarbeiten am Rendsburger Kanaltunnel auf der Bundesstraße 77. Seinerzeit, nach dem ersten Spatenstich im November 1957, dauerte die Fertigstellung des Tunnels mit seinen zwei Röhren dreieinhalb Jahre. Die Gesamtzeit der aktuellen Renovierungsarbeiten tendiert dagegen schon in Richtung sieben Jahre, Pessimisten prognostizieren inzwischen sogar schon zehn Jahre.
Zum wiederholten Mal musste die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) als zuständiger Bauträger die Verlaufsprognose der 2011 gestarteten Generalsanierung korrigieren. Eigentlich sollte der Verkehr ab Ende 2013 wieder reibungslos laufen, nun reicht das Zeitfenster für die Fertigstellung der Arbeiten bis hinein ins Jahr 2018. Zugleich explodieren natürlich die Kosten. Ursprünglich waren 25 Millionen Euro kalkuliert, derzeit sind es 33 Millionen. Und die Summe wird sich wohl mindestens verdoppeln.
Die Unterquerung des Nord-Ostsee-Kanals über das jetzige Nadelöhr B 77 ist die wichtigste Alternative zur Route über die benachbarte Rader Hochbrücke auf der Autobahn 7, die bei Starkwind nicht selten für leere Lkw und Wohnwagengespanne gesperrt wird. In Spitzenzeiten passieren täglich über 40 000 Fahrzeuge den Kanaltunnel, der insgesamt 640 Meter lang ist.
Doch von den vier vorhandenen Fahrspuren des Tunnels sind nun schon seit Jahren stets zwei gesperrt. Dauerstaus zu den Verkehrsstoßzeiten sind an der Tagesordnung und werden in den Verkehrsfunk-Durchsagen schon gar nicht mehr berücksichtigt. Betroffen sind insbesondere viele Berufspendler und Anwohner, aber auch die Fuhrparks regionaler Handwerksbetriebe.
Als Ursache für ständige Verzögerungen durch neue Bauplanungen - die ersten datieren übrigens aus dem Jahr 2002 - nennt die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Veränderungen von Bauvorschriften. Beobachter sehen Versäumnisse allerdings bereits bei den Ausschreibungen für die Bauabschnitte und die damit verbundenen Bauprojekte. Von schlecht geführten Verhandlungen mit den verschiedenen Baufirmen ist die Rede, von mangelnder Koordinierung der Firmen untereinander.
Jüngst mussten die Sammelbecken für Regenwasser noch einmal komplett überplant werden, denn Fehler in diesem Bereich würden auch die Statik der Tunnelwände beeinträchtigen, teilte die WSV mit. Was in Hamburg der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Elbphilharmonie an krassen Missständen feststellte - eine unfertige Planung, mangelnde Kontrolle seitens der politisch Verantwortlichen und Auftraggeber sowie Chaos auf der Baustelle - all diese Kritikpunkte treffen auch auf das Sanierungsprojekt vor den Toren Rendsburgs zu.
Rendsburger Kommunalpolitiker wie Landrat Rolf-Oliver Schwemer (parteilos) haben inzwischen jegliches Vertrauen ins letztlich verantwortliche Bundesverkehrsministerium verloren. Bei einem Besuch vor Ort hatte dessen Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU) immerhin noch im Februar dieses Jahres versprochen, alle Baumaßnahmen würden bis Ende 2016 abgeschlossen. Die aktuelle Entwicklung an der Tunnelbaustelle straft den Berliner Politiker Lügen.
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