Helfer im Paragrafendschungel
Mitglieder der Leipziger Refugee Law Clinic beraten seit Juni regelmäßig und kostenlos Asylbewerber
Für die 18-jährige Dana (Name geändert) sah es nicht gut aus. Die Abschiebung in ihr Heimatland Serbien drohte, denn das Land gilt als sicher. »Doch es war klar, dass es für das suizidgefährdete Mädchen dort nur schlimmer werden konnte«, erzählt Laura Thimm-Braun. Die 22-Jährige Studentin engagiert sich in der Leipziger Refugee Law Clinic, einem Verein, der Flüchtlinge kostenlos juristisch berät. Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff in etwa »Flüchtlingsrecht-Klinik«. Die Vereinsmitglieder informieren die Antragsteller über das Asylverfahren, sind ihnen bei ihrem Antrag behilflich und begleiten sie während des Verfahrens. Sie erklären auch Briefe und Bescheide.
Dana war mit ihrer Mutter nach Deutschland geflohen vor dem gewalttägigen Vater. Die schwer traumatisierte Jugendliche suchte hier Schutz, kam nach Leipzig. Zunächst wurde ihr Antrag abgelehnt, auch die Berufung. Laura Thimm-Braun: »Das Gutachten einer Psychotherapeutin bestätigte aber, dass das Mädchen nicht reisefähig ist, schließlich bekam sie eine Duldung. Das ist enorm wichtig für sie, auch wenn der Asylantrag zunächst abgelehnt wurde.«
Das deutsche Flüchtlingsrecht ist kompliziert. Und auch in Danas Fall lief die Klage gegen die Abschiebung über einen Anwalt. Die Mitglieder der Leipziger Refugee Law Clinic beraten seit Juni regelmäßig alle 14 Tage Asylbewerber im Leipziger Flüchtlingsheim in der Liliensteinstraße. Refugee Law Clinic-Gruppen gibt es in ganz Deutschland. »Im April 2014 gründete sich die Leipziger Initiative als Verein«, erzählt die 23-jährige Lisa Scherer. Sie studiert wie Laura Thimm-Braun an der Leipziger Universität Jura, beide Europa- und Völkerrecht. Der Verein hat etwa 100 Mitglieder, davon arbeiten etwa 20 bis 30 aktiv mit. Engagiert sind nicht nur Jura-Studenten. Zu den Vereinsmitgliedern gehören auch Studenten der Politikwissenschaft, Soziologie, Arabistik oder BWL.
Um Flüchtlinge juristisch beraten zu können, bedarf es einer umfangreichen Vorbereitung. So gibt es an der Juristischen Fakultät in Leipzig eine Vorlesungsreihe »Asyl- und Aufenthaltsrecht - Rechtliche Grundlagen der Flüchtlingsberatung«, an der jeder teilnehmen kann. Möglich wurde das, weil Juraprofessor Christoph Enders das Projekt unterstützt und Schirmherr des Vereins ist.
Der Besuch der Vorlesungen zum Asyl- und Aufenthaltsrecht ein Semester lang ist Voraussetzung, wenn man später Flüchtlinge juristisch beraten will. Genauso wie der Besuch von Fallbesprechungen und Hospitationen, beides jeweils ein Semester lang. Ohne das juristische Rüstzeug geht gar nichts.
Wie läuft die Beratung in der Liliensteinstraße ab? Lisa Scherer: »Wichtig ist, den Flüchtlingen die Angst vor Behörden zu nehmen. Oft sind sie ja vor staatlichen Institutionen geflohen, und dann sitzen sie im Anhörungsverfahren und haben wieder Angst.« Die Vereinsmitglieder versuchen, Vertrauen zu schaffen. Sie gehen mit den Asylbewerbern die Situation im Anhörungsverfahren durch, weisen darauf hin, dass es wichtig ist, die Wahrheit über die Fluchtgründe und den Fluchtweg zu sagen. Jedes Team besteht dabei aus zwei Personen, die von einem Volljuristen beziehungsweise einer Volljuristin betreut werden.
Zur Seite stehen ihnen Dolmetscher, auch die arbeiten ehrenamtlich. Laura Thimm-Braun: »Leider gibt es von staatlicher Seite keine juristische Unterstützung für die Flüchtlinge. Das ist ein riesiger Mangel.« Warum engagieren sich die beiden Studentinnen in dem Projekt? »Zum einen aus Überzeugung«, sagt Lisa Scherer: »Zum anderen auch, weil das Jura-Studium ziemlich trocken ist. Hier können wir unser Wissen in der Praxis umsetzen.« Und Menschen wie Dana helfen.
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