Spaghettimonsters Flug durch die Instanzen
Münchner Atheist unterliegt in Sachen Gottesbegriff vor bayerischem Gericht – Rechtsweg soll ausgeschöpft werden
Ist es ein Gottesdienst, wenn man mit seiner Tätigkeit am Büroschreibtisch dem göttlichen »Fliegenden Spaghettimonster« huldigt? Quasi also die religiöse Überzeugung auch im Alltag und im Berufsleben lebt? Und ist deshalb Michael Wladarsch, der in München-Schwabing ein Grafikbüro betreibt und sich als überzeugten Atheisten versteht, von den Rundfunkgebühren befreit? So wie es im Paragraf 5, Absatz 5 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages, in dem die Rundfunkgebühren geregelt sind, festgelegt ist. Dort steht, dass für Betriebsstätten, die gottesdienstlichen Zwecken gewidmet sind, kein Rundfunkbeitrag zu entrichten ist. Deshalb zog der 54-Jährige am Mittwoch vor das Münchner Verwaltungsgericht und klagte gegen einen Gebühren-Mahnbescheid des Bayerischen Rundfunk (BR). Doch im Mittelpunkt steht gar nicht das Geld. Klageführer Wladarsch: »Es geht mir nicht um die 16 Euro Rundfunkgebühren, sondern um die Privilegien für die Kirche.« Das Gericht hat die Klage am Mittwoch allerdings zurückgewiesen, doch Wladarsch will die Rechtswege ausschöpfen und durch die Instanzen ziehen.
»Grüß Gott« ist ein süddeutscher Gruß, den Michael Wladarsch zum Beispiel für ziemlich unabgebracht hält. Der 54-Jährige ist Vorsitzender der Münchner Sektion des Bundes für Geistesfreiheit (BfG), der seine Zentrale im Schwabinger Büro hat. Der BfG ist seit 1945 eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes, so wie die katholische und die evangelische Kirche auch. Er sieht sich in der Tradition der Aufklärung und ist ein organisatorisches Sammelbecken für Konfessionslose, Agnostiker, Atheisten oder Pantheisten: »Wir lehnen den Glauben an persönliche und personifizierte Gottheiten als irrational und unterwürfig ab«, so der Bund auf seiner Homepage. Er strebt die Trennung von Staat und Kirche und somit die weltanschauliche Neutralität des Staates an: »Alle Staatsleistungen an die Kirchen aufgrund der Säkularisation im 16. und 19. Jahrhundert sind endlich einzustellen.«
Vor diesem Hintergrund wurde Wladarsch, der in seiner Heimatstadt Ingolstadt nach eigenen Worten »katholisch sozialisiert« wurde und in seiner Jugend auch als Ministrant diente, auf den Paragrafen 5 Rundfunkbeitragsstaatsvertrages aufmerksam. Daraufhin ließ Wladarsch vor zwei Jahren sein Büro nach dem religionstypischen Ritus des »Fliegenden Spaghettimonsters« weihen: Ein sogenannter Pastafari verspritze mit einer Spülbürste Nudelwasser in den Geschäftsräumen. Ob aus den Nudeln dann Spaghetti Bolognese oder Rigatoni al forno würden, sei nicht von Bedeutung. »Die Glaubensgemeinschaft ist sehr tolerant«, so Wlardarsch. Man habe chinesische Tütensuppennudeln benutzt.
Und wieso ist er als Atheist zu einer Nudel-Gottheit mit Fleischbällchen und Stielaugen konvertiert? »In diesem Fall brauchen wir einen Gott, weil das Gesetz es so formuliert«, sagt der Schwabinger Gebühren-Rebell. Hatte er doch dem Bayerischen Rundfunk, der nach dem Staatsvertrag die Gebühren eintreibt, beschieden, sein Grafikbüro diene der Ausübung einer Weltanschauung – eben der atheistischen. Und deshalb nehme er die Ausnahmeklausel für sich in Anspruch. »Doch das Gesetz verlangt einen Gott, den wir nicht haben«, so Wladarsch. Deshalb – zur Sicherheit – die Spaghettimonsterweihe.
Die Ulk-Religion geht zurück auf den US-Physiker Bobby Henderson und wurde 2005 als satirische Antwort auf die »Kreationisten« – eine christliche Glaubensrichtung, die die Evolutionstheorie ablehnt – begründet. Die Anhänger der mittlerweile weit verbreiteten Religionsparodie nennen sich Pastafari – ein Mischwort aus Pasta und Rastafari. In Österreich hat ein Pastafari erreicht, dass ein Foto, auf dem er als religiöse Kopfbedeckung ein Nudelsieb trägt, für den Führerschein akzeptiert wurde. Im Brandenburgischen Templin erregte ein Schild mit der Aufschrift »Nudelmesse« örtlichen Ärger.
Für Wladarsch steht der Rechtsstreit um die Rundfunkgebühren in seinem dem Spaghettimonster geweihten Büro für die Absicht, den »unpräzisen Begriff« der Gottheit auf den Prüfstand zu stellen. Aus seiner – atheistischen – Sicht gehe es darum, beim Verhältnis von Kirche und Staat »eulenspiegelmäßig aufzuzeigen, wo der Hase im Pfeffer liegt«. Wenn der Begriff der Gottheit schon in einem Staatsvertrag aufscheine, solle auch erklärt werden, was darunter zu verstehen sei.
Der Bayerische Rundfunk als gebühreneinziehendes Organ fand die Gebührenverweigerung von Wladarsch freilich wenig spaßig und hatte ein Mahnverfahren angestrengt, wogegen er nun geklagt hatte, ebenso wie auf Befreiung von der Rundfunkgebühr. Der BR hielt die Argumentation des Klägers für »sicher originell, aber juristisch nicht haltbar«, so ein Sprecher. Es liege auf der Hand, dass er seine Betriebsräume überwiegend für betriebliche Zwecke nutze und nicht für gottesdienstliche oder vergleichbare Zwecke. Die Rundfunkbeitragspflicht im nicht-privaten Bereich aber könne nicht von eigenen Gestaltungsmöglichkeiten, wie selbstdefinierten Widmungen, abhängen. Zwar sei die Ausnahmeregelung von den Rundfunkgebühren nicht auf christliche Kirchen beschränkt. Erforderlich sei »jedoch ein religionstypischer Widmungsakt, sowie, dass die Betriebsstätte überwiegend den gewidmeten gottesdienstlichen Zwecken dient«.
Gelegentlich abgehaltene Gottesdienste begründeten daher keine Ausnahme von einer im Übrigen bestehenden Rundfunkbeitragspflicht. Der Bund für Geistesfreiheit argumentiert dagegen auf seiner Homepage: »Im Gesetz ist nicht geregelt oder beschrieben, was eine gottesdienstliche Nutzung ist; die Rechtsordnung hat weder für die Götter noch für die Religionen eine verbindliche Definition, auch nicht die einschlägigen Wissenschaften.«
In der Gerichtsverhandlung hatte sich bereits abgezeichnet, dass das Verwaltungsgericht der Argumentation des BR folgen und die Klage ablehnen werde. »Die Definition von Gottesdienst ist gesellschaftlich gegeben«, beschied die Vorsitzende Richterin dem Kläger. Freilich eine Argumentation auf eher dünnem Eis. War doch auch die strafrechtliche Verfolgung von Homosexualität »gesellschaftlich gegeben«, was nicht an der Abschaffung des entsprechenden Paragrafen hinderte.
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