Grünes Desaster im »Drecksloch«

Nirgends in Deutschland ist die Luft so schlecht wie in Stuttgart - Änderung ist nicht in Sicht

  • Roland Böhm, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Grüner Ministerpräsident, grüner Verkehrsminister, grüner OB - und trotzdem ist die Luft in Baden-Württembergs Landeshauptstadt Stuttgart gefährlich verschmutzt. Sie schaffen es einfach nicht.

Es gibt ein Lkw-Durchfahrtsverbot, die Umweltzone mit Fahrverboten für ältere Dreckschleudern, Tempo 40 gilt auch schon streckenweise. Geholfen hat das alles kaum. Seit Jahren kämpfen vor allem Stuttgart und Leipzig, aber auch viele andere Großstädte, mit dem unsichtbaren, aber gefährlichen Feinstaub. Auch der Ärger wegen deutlich zu hoher Stickstoffdioxidwerte wächst. Brüssel macht Druck. In Stuttgart müssen vor allem Politiker der Grünen handeln und womöglich das Autofahren verbieten - ausgerechnet in der Autobauerstadt.

Es ist die Kessellage, die Baden-Württembergs Hauptstadt diese Probleme bringt. Auf den Straßen staut sich der Verkehr, an der Messstation Neckartor ist die Luft so schlecht wie nirgendwo sonst in Deutschland. Geltende EU-Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid werden regelmäßig überschritten. Und zwar nicht nur am Neckartor und knapp drum herum, »sondern an einem Großteil der viel befahrenen Straßen in und um Stuttgart«, wie die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) betont.

Heißt: Nicht nur das Neckartor ist dreckig, sondern weite Teile der Stadt. Umweltzone, Durchfahrtsverbote und Tempolimit hätten zwar zu einer Verbesserung der Luft im Talkessel geführt, berichtet die LUBW. Den Durchbruch habe es aber nicht gebracht. Laut einer Prognoserechnung werden die EU-Grenzwerte auch 2020 überschritten - und zwar entlang etlicher Kilometer Straße im Stadtzentrum. In Brüssel laufen bereits Vertragsverletzungsverfahren, Geldstrafen drohen.

Feinstaub verstärkt Herzkreislauf- und Atemwegserkrankungen wie Lungenkrebs. Die Teilchen können bis in die Lungenbläschen und den Blutkreislauf gelangen. Jetzt folgte die nächste Ermahnung aus Brüssel, denn auch beim Stickstoffdioxid kann Stuttgart die EU-Vorgaben wie zig weitere deutsche Städte regelmäßig nicht einhalten. Land und Stadt, Verkehrsminister Winfried Hermann und Oberbürgermeister Fritz Kuhn (beide Grüne), müssen mehr tun als bisher.

Am 27. Juli wollen sie sich auf ein neues Maßnahmenpaket für den Luftreinhalteplan einigen. Weitere Fahrverbote, Umweltspuren und schärfere Schadstoffnormen sind im Gespräch. Je langsamer die Werte runter gehen, desto eher könnte die blaue Umweltplakette kommen, womit Tausende Dieselfahrzeuge ausgesperrt würden, die die Schadstoffnorm Euro 6 nicht erfüllen. Auch Fahrverbote, bei denen an Tagen mit hoher Luftbelastung abwechselnd Autos mit gerader und ungerader Nummer fahren dürfen, liegen dem Vernehmen nach in der Ideenschublade.

Nach Angaben des Deutschen Städtetags gibt es bundesweit rund 240 Luftreinhaltepläne. Diese seien ja schön und gut, im Kern müsse der Bund aber mehr tun, um die Umweltgifte an der Quelle, sprich am Auspuff, zu bekämpfen. »Trotz nachweisbarer Erfolge belasten Feinstaub und Stickstoffdioxid die Gesundheit der betroffenen Bürger weiter«, heißt es in einem Beschluss des Präsidiums.

Die blank die Nerven der Grünen liegen, zeigte neulich die Reaktion von Oberbürgermeister Kuhn auf eine »Tatort«-Folge: Vom »Drecksloch« Stuttgart war da die Rede, einem »zubetonierten Talkessel« - was den Kuhn auf die Palme trieb. So könne man das ja nun wirklich nicht sehen, was er als OB auch öffentlich anmerken müsse. Zudem wollten ja alle in eben diesen Talkessel ziehen. dpa/nd

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