Und Herr Maaßen hat gut lachen

Der Bundesanwalt und sein Dienstherr beharken sich - der Geheimdienst zog die Strippen

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 4 Min.
Generalbundesanwalt Range steht in der Landesverratsaffäre unter Druck - aber auch sein Dienstherr gerät in die Kritik. Der Verfassungsschutz, Regisseur der Causa, reibt sich indessen die Hände.

Es dürfte in Berlin vor allem einen geben, der sich die Hände reibt ob des Konfliktes, den der unter Druck geratene Generalbundesanwalt Harald Range nun gegenüber dem Justizministerium vom Zaun gebrochen hat: Hans-Georg Maaßen vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).

Wie lang dessen Arm ist, zeigte jüngst unfreiwillig ein Artikel in der Internetausgabe des Berliner »Tagesspiegels«. Das Blatt hatte zunächst geschrieben, das aufsehenerregende Landesverratsverfahren gegen den Blog »Netzpolitik« gehe auf eine Strafanzeige der Maaßen-Behörde auch gegen die betroffenen Journalisten zurück. Nur kurz darauf wurde der Text verändert und mit einem Hinweis versehen: Richtig sei, dass sich die Anzeige nur gegen »unbekannt« gerichtet habe; auch das ZDF verbreitete diese Korrektur. Gemäß einer Mitteilung wiederum aus Ranges Behörde war das so schlichtweg gelogen. Demnach gab es zwei »Strafanzeigen«, die durchaus auch Namen nannten.

Bisher unstrittig ist immerhin Ranges Darstellung vom 2. August, dass der Verfassungsschutz ein erstes, »ausführliches Rechtsgutachten« beibrachte, das den Verrat eines »Staatsgeheimnisses« - was allein eine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts begründet - »bejaht«. Daraufhin sei man aktiv geworden und habe »nach kritischer Prüfung zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine möglicherweise strafbare öffentliche Bekanntgabe eines Staatsgeheimnisses« gesehen.

In Ranges Einlassungen vom Dienstag ist nun von einem zweiten, von der Bundesanwaltschaft in Auftrag gegebenen Gutachten die Rede, das »die Rechtsauffassung der Bundesanwaltschaft und des Bundesamts für Verfassungsschutz (...) vorläufig bestätigt« habe. Doch das Justizministerium, dem der Vorgang lange bekannt gewesen sein soll, habe nach dem Bekanntwerden des Verfahrens wiederum dessen Stopp angewiesen, was Range befolgt habe. Nun lässt das Ministerium ein weiteres Gutachten anfertigen, das der Skepsis des Ministers gegenüber dem Verfahren Rechnung tragen dürfte.

Nachdem bereits am Wochenende aus der Opposition Rücktritts- bzw. Entlassungsforderungen gegen Range laut wurden und sich nun nicht nur der Fachminister, sondern auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unzweideutig distanziert hat, übt sich der Noch-Bundesanwalt in Vorwärtsverteidigung: »Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz«, zitierte ihn die dpa am Dienstagmorgen. Offenbar bleibt Range bei seiner Position: Am Montag erst habe ihm sein eigener Gutachter signalisiert, dass das Verfahren rechtens sei. Freiheitsrechte seien auch im Internet nicht »schrankenlos«, die Justiz sei »von der Verfassung ebenso geschützt wie die Presse- und Meinungsfreiheit«.

Unter Juristen sind diese Vorwürfe sehr umstritten. Der Deutsche Richterbund (DRB) springt Range bei: Es sei »nicht hinnehmbar«, wenn ein Minister so direkt in ein Verfahren eingreife, so dessen Vorsitzender Christoph Frank gegenüber der dpa. Wolfgang Neskovic, früherer Bundesrichter und Rechtspolitiker der Linkspartei, argumentierte im Deutschlandfunk gerade entgegengesetzt - zielte aber gleichfalls auch auf Maas: Der hätte viel früher und konsequenter gegen dieses »unsägliche« Ermittlungsverfahren vorgehen müssen. Maas könne sich nicht darauf berufen, dies aus Respekt vor staatsanwaltschaftlichen Belangen unterlassen zu haben. Dies wäre eine »Flucht aus der ihm gesetzlich zugewiesenen Verantwortung«: »Der Verweis auf eine tatsächlich nicht existierende Unabhängigkeit der Justiz entlarvt Herrn Maas als verfassungsrechtlichen Analphabeten«, sagte Neskovic dem Sender. Ähnlich äußert sich auch der Grünen-Politiker Konstantin von Notz: Maas müsse erklären, warum er nicht frühzeitig eingeschritten sei.

Es ist bizarr: Ein Minister und ein Staatsanwalt nehmen Schaden - und der Regisseur der Causa sieht zu: der Chef jenes Inlandsgeheimdienstes, der sich bei der Aufklärung des NSU-Terrors immer wieder querstellt und auch seiner Aufgabe der Spionageabwehr gegen die NSA kaum gerecht wurde. Nichtsdestotrotz konnte er seine Botschaft versenden: Whistleblower und sonstige journalistische Naseweise, seht euch bloß vor!

Fast meint man, den Geheimdienstboss auflachen zu hören. Zynisch genug ist Maaßen allemal: Unvergessen die Rolle, die er als Experte im Fall von Murat Kurnaz spielte. Als ein Grund gesucht wurde, sich nicht für eine Rückkehr des zu Unrecht nach Guantanamo Verschleppten einzusetzen, fand er die atemberaubende Begründung, dessen Aufenthaltstitel sei verfallen, weil er sich nach sechs Monaten im Ausland nicht bei den Behörden gemeldet hatte.

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