Südafrikas Bauern weichen der Gewalt

Überfälle und Morde auf Farmen gefährden auf Dauer die Versorgung mit Nahrungsmitteln

  • Anne Gonschorek, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.
In Südafrika sind in diesem Jahr bereits über 100 Bauernhöfe überfallen worden. Dabei kamen fast 30 Menschen ums Leben. Die Landwirtschaft gehört damit zu den gefährlichsten Branchen des Landes.

»Sie griffen ihn brutal an, fesselten seine Hände auf dem Rücken und ließen ihn 700 bis 800 Meter vom Bauernhaus entfernt auf dem Feld liegen«, heißt es im Polizeibericht. Erst am nächsten Morgen suchte ein Nachbar den 77-jährigen Hein Smith, nachdem dieser nicht auf einen Telefonanruf geantwortet hatte. Der allein in Free State lebende Bauer starb kurz nach der Ankunft im Krankenhaus.

Die Ermordung von Hein Smiths Mitte Juli ist nur ein Fall von vielen, die ungelöst bleiben dürften. Laut einer Mitteilung der Aktivistengruppe AfriForum und der Agrarunion TAU sind in diesem Jahr bereits 27 Bauern ermordet worden. Insgesamt wurden 116 Höfe angegriffen.

Schon 2014 stiegen die Bauernhofmorde von 62 im Vorjahr auf 67 Fälle an. 277 Farmen wurden angegriffen. Damit wurde 2014 zum tödlichsten Jahr für Südafrikas Bauern seit dem Beginn der Aufzeichnungen 1990. Der südafrikanische Bauernverband gibt an, dass jedes Jahr mehr als doppelt so viele Farmarbeiter ermordet werden wie Polizisten.

Der ehemalige Polizeibeauftragte und derzeitige Agrarminister Bheki Cele ist sich sicher, dass die Morde keinen rassistischen Hintergrund haben. »Die Menschen, die getötet werden, sind Bauern. Ob sie nun weiß, schwarz, gelb, grün oder lila sind, wir haben festgestellt, dass Bauern angegriffen werden«, sagte er gegenüber Reportern.

Chris van Zyl von TAU widerspricht. »Wenn wir uns die Opfer unter den Bauern ansehen, ist die Mehrheit weiß.« Tatsächlich zeigen alte Polizeiaufzeichnungen von 2003, dass etwa 38 Prozent der Bauernhofmordopfer als schwarz, farbig oder asiatisch beschrieben wurden. Allerdings sind viele offizielle Statistiken so veraltet, dass es schwierig ist, sich einen aktuellen Überblick zu verschaffen.

AfriForum hat eine 24-Stunden-Hotline geschaltet, nachdem sich viele Farmer darüber beschwerten, dass die Polizei ihre Bitten um Hilfe einfach ignorierte. Die Organisation vertritt die Interessen von weißen Afrikanern und kommerziellen Bauern. »Wir veröffentlichen unsere Statistiken, weil die Regierung und insbesondere die Polizei sich seit 2007 weigerten, überhaupt Informationen über die Bauernhofmorde herauszugeben«, sagte Ernst Roets, stellvertretender Generaldirektor der Organisation, bereits Anfang dieses Jahres.

Im März 2015 gab nun der derzeitige nationale Polizeibeauftragte Riah Phiyega die offiziellen Zahlen der vergangenen Jahre doch noch an die Öffentlichkeit weiter. Doch sie enthalten »nur« 271 Opfer in den vergangenen fünf Jahren. AfriForum und TAU dagegen haben mindestens 316 gezählt. »Die Öffentlichkeit wurde lange genug im Dunkeln gelassen«, wird Roets auf der AfriForum-Webseite zitiert. »Wir bezweifeln stark die Behauptungen des Polizeibeauftragten, dass Bauernhofmorde in den letzten fünf Jahren nachgelassen haben. Unsere Aufzeichnungen weisen mehr bestätigte Opfernamen auf.«

Die Gewalt hat Folgen. Die Bauern fühlen sich im Stich gelassen und gründen Nachbarschaftswachen, um sich gegenseitig zu beschützen. Andere verlassen bereits die Branche und junge Leute werden abgeschreckt.

Schon 2011 sagte der Leiter für Agrargeschäfte der südafrikanischen Bank ABSA, Ernst Janovsky, voraus, dass die Anzahl der kommerziell tätigen Bauern bis Mitte der 20er Jahre auf 15 000 schrumpfen werde. Südafrika drohe ein Rückgang der Nahrungssicherheit. Dabei hat schon jetzt über die Hälfte der Bevölkerung keinen gesicherten Zugang zu Nahrungsmitteln mehr.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.