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Vorsicht am Laptop

Andreas Lukoschik über Kunstfälscher und Betrüger

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 4 Min.

Man sieht nicht, dass die Mail einen Anhang hat. Aber sobald sie geöffnet wird, installiert sich ein Spionageprogramm. Der Absender kann fortan alles lesen, was der Empfänger auf seinem Computer schreibt. »Alles hören, was er telefoniert. Ja, wir können ihn sogar bei der Arbeit beobachten, wenn er eine Kamera an seinem Computer installiert hat. Und wenn er uns einen ganz großen Gefallen tun will, dann synchronisiert er seinen Computer mit seinem Handy und seinem Tablet. Dann sind wir sozusagen immer bei ihm - egal, wo er sich aufhält.« Das ist keine Übertreibung, man weiß, dass es der Autor dieses Buches nicht erfunden hat. Und so interessant es beim Lesen ist, es kann einem auch himmelangst werden.

Hier wird eine technische Entwicklung vor Augen geführt, die praktisch das Ende der Privatsphäre bedeutet. Man mag sich von ihr abkoppeln, und dazu wird es auch kommen, wenn jemand etwas zu verbergen hat, aber das wird Elektronikhirne wie August im Roman nur zu neuen Tüfteleien herausfordern. Wobei die Kunstdiebe hier noch ahnungslos in die Falle tappen und - zu des Autors und der Leser Genugtuung - zudem noch von allerlei Pech verfolgt sind. So kann Anatol Balthasar Trockau am Ende triumphieren, woran man indes von Anfang an nicht gezweifelt hat.

»Freiberuflicher Versicherungsagent und unkonventioneller Wiederbeschaffer abhandengekommener Kunstwerke« - so wird er auf der ersten Seite im Personenregister vorgestellt. Bald sehen wir ihn mit einem Glas Champagner auf der Dachterrasse des Hotels an der Spanischen Treppe - »die Kuppel des Petersdoms fest im Blick«.

Die Vereinigung »Sammler bildender Kunst« trifft sich mit dem Vorsitzenden der »Artecurias«-Versicherung. »Trockau passte äußerlich hervorragend in dieses Umfeld. Sein mitternachtsblauer Smoking ließ seinen Teint edel und diskret zur Geltung kommen; das maßgeschneiderte Hemd mit der Waffelpiqué-Hemdenbrust und den Lapislazuliknöpfen saß makellos. Die breite Stirn und die leicht ergrauten Schläfen gaben ihm etwas Klassisches ...« Und so weiter und so fort: »Hauch des Erfolges im Gesicht«, »Lachfalten um seine tiefbraunen Augen«, »eine gut erhaltene Jungenhaftigkeit« und eine fast zwanzig Jahre jüngere Geliebte, die ihn umgurrt … So könnte ein Ganove aussehen, aber nicht ein Ermittler, der einem sympathisch werden soll.

Zu glatt, zu abgehoben. Wie James Bond? Der stand aber im Dienste »Seiner Majestät«, während Trockau auf Provision arbeitet, allerdings für »durchaus sportliche« Summen. Und wenn »Artecurias« fortan nur auf festangestellte Mitarbeiter setzen will, wie er erfährt, kein Problem, es gab noch andere Versicherungen für die er tätig war. An dieser Stelle hätte die glatte Fassade diese Mannes etwas aufgebrochen werden können. Sich ständig als Erfolgsmensch zu inszenieren, um ja nicht aus dem Kreis der Superreichen herauszufallen, wo er ein zwar hochbezahlter, aber doch ein Tagelöhner ist, was bedeutet es, wenn diese Rolle in Fleisch und Blut übergeht?

Solche Gedanken kann man sich beim Lesen machen, aber der Autor findet kaum Abstand zu seiner Gestalt. Trockau ist bester Laune. Einen interessanten Auftrag hat ihm die »Artecurias« ja noch gegeben: Ein Cézanne ist verschwunden aus dem Hause eines Kunstsammlers in Rom. Das fürstliche Domizil wird erst einmal eingehend beschrieben, so wie es Andreas Lukoschik auch weiterhin mit allen Räumlichkeiten macht, an denen wir uns erfreuen sollen. Ein wenig ausladend gerät das mitunter. Das Materielle erdrückt das Geistige sozusagen, auch wenn immer wieder begeistert über Kunst gesprochen wird. Denn die verschiedenen Sammler, die wir im Buch kennenlernen, lieben ihre Bilder - und betrachten sie zugleich als Wertobjekte. So kommt der Kunstmarkt ins Spiel und mit ihm das Versicherungswesen. Da wird den Leser viel Wissenswertes erwarten.

Was das Geld mit jenen macht, die viel davon besitzen, kann man hier erleben. Wie es in ihnen schreit: Noch mehr, noch mehr. Es ist wie eine Krankheit. Sykotisches Miasma. Bei dem einen gestohlenen Cézanne bleibt es ja nicht. Und es handelt sich auch nicht nur um einen einzelnen Dieb, so wie Trockau ja auch mit einem ganzen Team ermittelt. Alles Spezialisten vom Feinsten, die eine gigantische Intrige, ein riesiges Netzwerk des Verbrechens aufzudecken haben. Doch gibt es keinen einzigen Mord, lediglich am Schluss richtet sich ein Schuldiger selbst.

Polizei? Strafe? Dafür ist Trockau nicht zuständig. Seine Aufgabe ist es, Kunstwerke wiederzubeschaffen und sein Honorar zu verdienen. Gerechtigkeit? Der Autor ist da ohne jene Illusionen, von denen andere Krimis leben, die in anderen Kreisen spielen. Als ob die Welt in Ordnung gebracht werden könnte, indem die Polizei einen Mörder fasst ...

Im luxuriösen Ifen Hotel im Kleinwalsertal endet der Roman. Der Ort sei ihm »besonders ans Herz gewachsen«, bekennt der Autor in seiner Nachbemerkung. Dass die dortige Geschäftsführung fortan Andreas Lukoschik beste Konditionen gewährt, wäre wohl das mindeste. So genau wie er das Ambiente beschrieben hat, die Attraktionen des Wellness-Bereichs, die Speisen des Sterne-Restaurants, wie er Hoteldirektor Nikolaus Jaeger und Chefkoch Sascha Kemmerer namentlich in die Handlung einbaut, müssten sie ihm eigentlich zu Dank verpflichtet sein.

Andreas Lukoschik: Die Cézanne Connection. Kriminalroman. Emons Verlag. 238 S., br., 9,90 €.

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