Leben in Alarmbereitschaft
In Ecuador droht ein Ausbruch des besonders gefährlichen Vulkans Cotopaxi
Noch ist alles ruhig in Latacunga am Fuße des Vulkans Cotopaxi. Geschäfte haben geöffnet, Straßenverkäufer bieten Eis und Obst an. Doch die rund 70 000 Einwohner der Andenstadt in Ecuador sind in Alarmbereitschaft: In Sichtweite, rund 30 Kilometer nördlich, stößt der Cotopaxi ununterbrochen Rauch und Asche aus.
Am Wochenende war der Vulkan nach mehr als 130 Jahren aufgewacht und hatte eine acht Kilometer hohe Aschewolke ausgespuckt, die auch die rund 50 Kilometer entfernte Hauptstadt Quito erreichte. Seitdem gilt Alarmstufe »gelb«: Es werden Vorsichtsmaßnahmen getroffen für einen möglichen Ausbruch.
»Ich habe schon Angst«, sagt Patricia Polo. »Vor allem, dass er in der Nacht ausbricht.« Zwei Notfallkoffer stehen bereit. Polo betreibt zwei Bäckerläden in Latacunga, einen im Zentrum, einen im Risikogebiet am Fluss Cutuchidie, den sie am Samstag schließen musste: Wegen gefährlicher Glutwolken wurden die Bewohner am Fluss und in den Gemeinden unterhalb des Vulkans evakuiert. »Einige haben sogar ihre Matratzen aufs Auto gepackt. Es war chaotisch«, berichtet ein Taxifahrer. Doch bereits Samstagnachmittag kehrte die Bewohner Latacungas wieder nach Hause zurück.
Am Dienstag überflogen Experten staatlicher Behörden den Cotopaxi. Er stoße regelmäßig Rauch und Asche aus, Glutwolken oder eine Eisschmelze seien aber nicht zu beobachten, hieß es. Wegen seiner dicken Gletscherschicht gilt der 5897 Meter hohe Vulkan als besonders gefährlich. Bringt die Hitze Eis und Schnee zum Schmelzen, drohen Schlammlawinen, die bis vor die Tore der Hauptstadt Quito reichen könnten.
Zuletzt ist der Cotopaxi 1877 ausgebrochen. Von den Folgen eines neuerlichen Ausbruchs könnten, so das Ministerium für Risikomanagement, bis zu 325 000 Menschen betroffen sein. Doch die Behörden mahnen zur Ruhe. Ihre Vertreter reisen in die gefährdeten Regionen und klären die Bevölkerung auf. In Quito sind in den kommenden Tagen Katastrophenübungen geplant, in Latacunga und den umliegenden Dörfern finden Schulungen statt, rund 100 Notunterkünfte sollen eingerichtet werden.
Am Samstag hatte Präsident Rafael Correa über das Land den Ausnahmezustand verhängt. Die Regelung kann bis 60 Tage bestehen bleiben und ermöglicht der Regierung, zur nationalen Mobilisierung aufzurufen und auf unbürokratische Weise finanzielle Hilfen bereitzustellen. Zudem legt das Dekret eine Vorzensur fest: Medien dürfen nur die offiziellen Mitteilungen des Sicherheitsministeriums veröffentlichen. Laut Correa sollen so Falschinformationen und Panik vermieden werden. Kritiker befürchten, dass sich der Präsident den Ausnahmezustand politisch zunutze macht. Correa steht seit Monaten in der Kritik. Erst vor weniger Tagen gab es landesweit Demonstrationen und Straßenblockaden. Vor allem indianische Organisationen wenden sich gegen eine geplante Verfassungsreform, die die Möglichkeit zur unbegrenzten Wiederwahl des Präsidenten vorsieht.
Sollte der Cotopaxi wirklich ausbrechen, wären auch zahlreiche Unternehmen betroffen. Die Wirtschaft des Landes mit knapp 16 Millionen Einwohnern leidet unter dem niedrigen Ölpreis: Ecuador bezieht einen Großteil seiner Einnahmen aus dem Erdölexport. Patricia Polo aus Latacunga hofft indes, dass sich der Vulkan ruhig verhält. »Da vertraue ich auf Gott«, sagt sie. epd/nd
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