Urteil soll vorm Bagger kommen
Klage gegen Braunkohletagebau Nochten II erreicht Bundesgericht
Sie haben Sorge, zu spät zu kommen: Die Gegner des Tagebaus Nochten II sehen sich nach einem Urteil des sächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) Bautzen vom April im Hintertreffen. Sie dürften gegen den Tagebau klagen, hatten die Richter entschieden - aber erst spät im Verfahren. Vor Gericht ziehen dürften sie noch nicht gegen den bereits vorliegenden Braunkohlenplan, sondern erst gegen den viel später zu erarbeitenden Betriebsplan der Grube. Ein fatales Urteil, findet Ursula Eichendorff vom Bündnis »Strukturwandel jetzt«: »Wir würden klagen, wenn die Bagger schon vor der Tür stehen.«
Um das zu verhindern, wird das Bautzener Urteil jetzt vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig angefochten. Man habe am Mittwoch Revision eingelegt, sagt Felix Ekardt, der Vorsitzende des BUND Sachsen. Der Umweltverband hatte die Klage zusammen mit einem Anwohner eingereicht, der von Umsiedlung bedroht ist. Dem Tagebau müssten insgesamt rund 1600 Menschen in der Region um Schleife in der Lausitz weichen, in der auch viele Sorben leben.
Mit der Revision soll erzwungen werden, dass am OVG ein Urteil gefällt wird. Im April hatten die Richter entschieden, die Klage nicht zuzulassen, weil sie - salopp gesprochen - zu früh komme. Es handle sich um juristisches Neuland, sagt Ursula Eichendorff. Das Bundesverfassungsgericht habe im Jahr 2013 geurteilt, dass der Rechtsschutz für Betroffene eines Tagebaus früher einsetze, als das bisher praktiziert wurde. Wann genau geklagt werden dürfe, sei aber bisher nicht entschieden, sagt sie: »Ein Urteil dazu steht noch aus.«
Umweltverbände wollen so früh wie möglich gegen einen Neuaufschluss von Braunkohlegruben intervenieren. Sie wollen sich nicht nur dazu äußern, wie Auswirkungen auf die Natur gemildert werden können, sondern ob ein Tagebau energiepolitisch erforderlich sei. Im aktuellen Streit gehe es »nicht um die Frage des Wie, sondern des Ob«, sagt Karsten Smid von Greenpeace. Nochten II werde zur Nagelprobe für die Klimapolitik der Bundesregierung und die Ankündigung der großen Industrienationen auf dem G8-Treffen in Elmau, bis 2050 aus der Kohleverstromung auszusteigen. Die Klage, sagt Smid, habe »bundes- und klimapolitische Bedeutung«.
Nach Angaben von Greenpeace würde der mit Kohle aus Nochten befeuerte Block R im Kraftwerk Boxberg bis ins Jahr 2067 laufen. Der Kohlebedarf wird auf 759 Millionen Tonnen beziffert. Dabei sei Braunkohle »der klimaschädlichste Energieträger«, sagt BUND-Landeschef Ekardt. Zudem sind in der Lausitz neue Abbaufelder in Jänschwalde und Welzow-Süd geplant. Juristischer Streit droht auch dort. Heute wird in Potsdam eine Normenkontrollklage gegen die Grube Welzow vorgestellt.
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