Dresden: Mehrere Tausend demonstrieren gegen Rassisten

Karlsruhe kippt Versammlungsverbot für Heidenau komplett / CDU-Staatssekretär setzt Antifa mit NPD gleich / Neue Attacke gegen Flüchtlinge in Pasewalk / Rechte Attentäter von Salzhemmendorf legen Geständnis ab

  • Lesedauer: 20 Min.

Update 19.30 Uhr: Max Herre, Chefket und Zugezogen Maskulin
»Wir waren schon damals bei Rostock-Lichtenhagen unterwegs. Und wir sind traurig, dass wir es heute wieder sein müssen«, sagt Max Herre zum Ende der antirassistischen Demo am Neustädter Bahnhof. Zuvor hatten er und die Berliner Hip-Hopper Chefket und Zugezogen Maskulin die verbliebenen Demonstranten unterhalten. Es war eines der guten Zeichen an diesem Tag, dass es nicht das Konzert war, das das größte Publikum anzog. Nur ein paar hundert waren es noch gegen 18 Uhr, die vor dem improvisierten Bühne feierten. Zuvor hatten bis zu 5.000 Demonstranten in Dresden gegen Rassisten wie in Heidenau und die Flüchtlingspolitik der Landes- und Bundesregierung demonstriert. Ein paar hundert von ihnen fuhren im Anschluss noch weiter nach Heidenau, wo der Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König eine weitere Kundgebung angemeldet hatte. Ob es dort auch so friedlich wie in Dresden bleiben wird, ist ungewiss. »In der Nähe der Flüchtlingsunterkunft stehen schon wieder Nazis«, sagte ein Aktivist von vor Ort.

Update 18.05 Uhr: Syrischer Flüchtling im Saarland attackiert
Ein syrischer Flüchtling ist in der Stadt Lebach im Saarland von einem Unbekannten angegriffen und ins Gesicht geschlagen worden. Der Staatsschutz des Landeskriminalamtes (LKA) gehe nach ersten Ermittlungsergebnissen von einer »fremdenfeindlichen Motivation des Täters« aus, teilte die Polizei am Samstag mit. Der 19 Jahre alte Syrer war am Vorabend nahe dem Bahnhof von Lebach (Kreis Saarloius) unterwegs gewesen, als ein Mann mit seinem Auto anhielt, ausstieg und ihn angriff. Er schlug dem Opfer mit der Faust ins Gesicht und verletzte es leicht. Der Angreifer wurde als 20 bis 30 Jahre alt mit kurzen, blonden Haaren beschrieben. Die Polizei bat Zeugen des Vorfalls, sich zu melden.

Update 18 Uhr: Was die Agenturen über #DD2908 schreiben?
Die AFP bringt das Thema in einer langen Zusammenfassung zur Flüchtlingspolitik in einem Absatz: »In Dresden nahmen am Samstag zwischen 2000 und 4000 Menschen an einer Solidaritätskundgebung für Flüchtlinge teil, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Begleitet wurde die Demonstration von einem große Polizeiaufgebot. Die Teilnehmer versicherten, Flüchtlinge seien willkommen.« Die Deutsche Presse-Agentur schreibt ebenfalls in einer Zusammenfassung asylpolitischer Themen: »In Dresden folgten am Samstag mehrere tausend Menschen dem Aufruf linker Gruppen zu einer Demonstration für den Schutz von Flüchtlingen und gegen die aktuelle Asylpolitik in Deutschland.«

Update 17.30 Uhr: Jetzt spielen Zugezogenen Maskulin und Max Herre
Gegen 17.30 Uhr geht der aktivistische Teil der Demonstration jetzt lange zu Ende. Für den Unterhaltungsteil der Demo sollen jetzt demnächst die Berliner Hip-Hop Band Zugezogenen Maskulin und Max Herre sorgen. Danach wollen einige Hundert Demonstranten weiter nach Heidenau fahren. Ein Redner rief die Demonstranten auf, nicht allein dorthin zufahren. »Wir sind hier nicht gegen in Berlin oder Hamburg. Das ist eine Scheiß-Region, die Nazis leben dort. Also passt auf euch auf.« fak

Update 17.20 Uhr: Interventionstische Linken kritisiert »rassistischen Normalzustand«
In einer Rede vor dem Neustädter Bahnhof hat eine Sprecherin der Interventionstischen Linken auf den »rassistischen Normalzustand« Deutschland aufmerksam gemacht: »Was ist das für ein Staat, in dem von hunderten randalierenden Nazis genau keiner festgenommen wird, während nicht-weiße Menschen an jeder fucking Bushaltestelle kontrolliert werden«. Deutschland sei ein Staat, in dem selbst Solidarität und das Willkommenheißen von verfolgten Menschen durch linke Gruppen organisiert werden müsse. fak

Update 17.10 Uhr: Kleine Gruppe Neonazis provoziert am Rande der Demo
Die Demo hat mittlerweile ihren Endpunkt, den Neustädter Bahnhof erreicht. Und auch wichtig: Bisher blieb alles völlig friedlich. Eine kleine Gruppe Neonazis skandierte »Wir sind das Volk« am Rande der Demonstration. Dem Inhalt ihres Bollerwagens zu urteilen, könnten sie aber auch »Wir sind voll« gemeint haben. Anders als in Heidenau hat sich die Polizei sofort und wohl auch zu ihrem eigenen Schutz um sie gekümmert. Es war die einzige winzige Eskalation bisher. fak

Update 17.25 Uhr: Sachsens Innenminister Ulbig meldet sich schon wieder
Eine Meldung zur Demo gegen Rassismus hat die dpa nocht nicht, dafür aber diese hier: »Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Versammlungsverbot in Heidenau hat Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) zu Besonnenheit und Friedfertigkeit aufgerufen. Das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe hatte das Verbot zuvor gekippt. Laut Polizei kann damit eine für Samstagabend angemeldete Kundgebung von Unterstützern des Flüchtlingsheimes stattfinden, auch neue Versammlungen können angemeldet werden. ‘Das ist mit Blick auf die Situation auch überall in Deutschland eine Herausforderung für die Polizei’, betonte Ulbig am Samstag.«

Update 16.40 Uhr: »Bürger lasst das Glotzen sein, kommt herüber, reiht euch ein«
Die Demonstration, die gerade die gerade die Elbbrücke in Richtung Neustadt überquert, ist übrigens ziemlich bunt gemischt. Der Familienblock mit Fahrrädern, Seifenblasen und Kinderwagen am Ende des Zuges ist mindestens ebenso groß wie der mit schwarzen Tüchern am Hals an der Spitze der Demo. Insgesamt sind es jetzt schätzungsweise schon 5.000 Demonstranten. fak

Update 16.20 Uhr: »Ra-assimus und Nazi-Dreck, es gibt nur eine Antwort: Ulbig muss weg«
Ob der Spruch das Potenzial zum neuen Klassiker hat? »Ra-assimus und Nazi-Dreck, es gibt nur eine Antwort: Ulbig muss weg.« Neben Nazis und Besorgten ist Sachsens Innenminister das Lieblingsthema der derzeit rund 4.000 Demonstranten. Wobei die viele der Aktivisten wahrscheinlich nicht zwischen den drei Gruppen unterscheiden. Der Zug hat mittlerweile den Dresdner Altmarkt erreicht und wieder verlassen. Dort spielten sich die üblichen skurrilen Szene zwischen lautstarken Demonstranten und Passanten ab. Einige Passanten beeilten sich in den Straßencafés mit dem Bezahlen, Touristen knipsten Selfies vor der unerwarteten Sehenswürdigkeit – einer pro-Flüchtlingsdemo in Sachsen. Die Demonstranten antworten mit: »Bürger lasst das Glotzen sein, kommt herüber, reiht euch ein.« fak

Update 16.10 Uhr: Politik der sächsischen Regierung »Generalversagen mit System«
»Wir haben in Heidenau eine neue Dimension progromartiger Ausschreitungen erlebt«, sagt der nächste Redner und zieht eine Parallele zu Rostock-Lichtenhagen: »Auch dort wurden die Nazis nicht zurückgedrängt, auch dort wurden Antifaschisten verhaftet.« Die Politik der sächsischen Regierung sei ein »Generalversagen mit System«. Die Konsequenz aus den 1990ern sei »eine militante und breit verankerte Neonazisszene«, die schließlich auch den NSU hervorgebracht hätten: »Auch hier in Sachsen, in Zwickau, hat lange Zeit der NSU Unterschlupf gefunden.« fak

Update 16 Uhr: Ökonomischer Aspekt der (Anti)flüchtlingspolitik auch Thema
Bei der ersten Zwischenkundgebung vor dem Dresdner Polizeipräsidium gingen Redner auch auf den ökonomischen Aspekt der (Anti)flüchtlingspolitik. »Die Flüchtlinge werden zu Gefahr für den Sparweltmeister Deutschland«, hieß es dort unter anderem. Das Dogma der schwarzen Null leite die Regierungspolitik ungeachtet der menschlichen Schicksale - »egal ob bei Flüchtlingen oder gegenüber Griechenland«. fak

Update 15.50 Uhr: »Say it loud, say it clear. Refugees are welcome here«
»Say it loud, say it clear. Refugees are welcome here«: Es dürfte eine Weile her sein, dass auf sächsischen Straßen aus so vielen Mündern solch ein Bekenntnis zu hören war. Rund 4.000 Menschen laufen gerade vom Dresdner Hauptbahnhof in Richtung Neustädter Bahnhof. Für alle, die noch einen Grund brauchen sich der dem Protest anzuschließen: Am Bahnhof Neustadt wird es ein Konzert von Max Herre und der Berliner Hip-Hop-Band Zugezogen Maskulin geben. fak

Update 15.30 Uhr: Wie viele sind in Dresden auf der Straße?
Gegen 15.15 Uhr setzte sich der Demonstrationszug vom Dresdner Hauptbahnhof in Richtung Norden in Bewegung. Einer der Redebeiträge richtet wütende Kritik vor allem an die sächsischen Behörden: »Es war der Extremismusscheiß der sächsischen Regierung, der Nazis hoffähig gemacht hat.« Im Hinblick auf die rassistisch motivierten Ausschreitungen in Heidenau wurde die Einmischung der Antifa gewürdigt: »Es waren Antifaschisten, die den Nazis die Stirn geboten haben; die sich das Demonstrationsrecht zurückerkämpft haben, die Spielzeug nach Heidenau gebracht und die Hüpfeburg aufgeblasen haben«.

Beim Bündnis Dresden Nazifrei heißt es, es seien »locker 5.000 Menschen mit uns auf der Straße«. Ein Reporter der »Sächsischen Zeitung« bleibt eher bei seiner Schätzung von 3.000. Auf Twitter will jemand 4.000 bis 6.000 geschätzt haben. EineSo oder so: Es sind viel mehr als die angemeldeten 1.000, die hier gegen rassistische Übergriffe und Aufmärsche sowie asylfeindliche Stimmungsmache der Politik demonstrieren. fak

Update 15.15 Uhr: »Wenn die Leute in Heidenau das nicht schaffen, dann müssen eben wir kommen«
Wer hätte nach Pegida, Freital, Heidenau und Co. gedacht, dass man so etwas in Sachsen noch erleben kann: Ein ganzer Platz voller Demonstranten, doch niemand von ihnen skandiert gegen Flüchtlingen. Rund 2000 bis 2500 Menschen sind es, die sich am frühen Sonntagnachmittag dem Aufruf von Dresden Nazifrei angeschlossen haben und auf dem Vorplatz des Dresdner Hauptbahnhofes FÜR Flüchtlingen und gegen jenen rassistischen Bevölkerungsgruppen demonstrieren, die zuletzt das Image des Landes prägten.

»Heute die Pogrome von morgen verhindern« ist der Slogan der Veranstaltung, zu der auch hunderte Aktivisten aus Städten wie Leipzig, Berlin oder Jena anreisten. Selbst eine kleine Gruppe spanischer Demonstranten hat sich der Kundgebung angeschlossen. »Mir ist wichtig den Flüchtlingen zu zeigen, dass wir sie nicht allein lassen. Wenn die Leute in Heidenau das nicht schaffen, dann müssen eben wir kommen«, sagt Benjamin, der mit einem Bus aus Jena angereist ist. Auch der Jenaer Stadtjugendpfarrer und Antifa-Ikone Lothar König ist unter den Demonstranten. Zu Beginn der Kundgebung ruft er dazu auf, nach Ende der Demonstration nach Heidenau zu fahren.

Nachdem die Polizei in den letzten Tagen über Mangel von Einsatzkräften geklagt hat und schließlich sogar den polizeilichen Notstand ausrief, ist davon in Dresden heute nichts zu spüren. Dutzende Mannschaftswagen der sächsischen Polizei stehen um den Dresdner Hauptbahnhof. In den Seitenstraßen verstecken sich noch viel mehr.

Kurz nach 15 Uhr soll die Demonstration beginnen, der sich auch viele Landes- und Kommunalpolitiker, wie der Leipziger Grünen-Sprecher Jürgen Kasek angeschlossen haben. Spätestens seit den flüchtlingsfeindlichen Protesten ist er eines der Gesichter der Gegenproteste in Sachsen.Der Demonstrationszug soll unter anderem am Polizeipräsidium und nahe der Staatskanzlei Halt machen und schließlich am Neustädter Bahnhof enden.

Momentan erinnert der Protest noch eher an ein Straßenfest. Seifenblasen fliegen durch die Luft. Die Sonne scheint. Aus den Lautsprechern des Lauti-Wagens singen die Rolling Stones. Einige Aktivisten haben sich zum Sonnen liegend auf den Betonstufen des Bahnhof-Vorplatzes verteilt. fak

Update 14.25 Uhr: Rund 2000 bei der Auftaktkundgebung in Dresden
Bei der Auftaktkundgebung in Dresden sind rund 2000 Leute, wird von verschiedener Seite geschätzt. Und, es werden immer noch mehr. Einige Busse mit Teilnehmern sind noch nicht durch die Stadt gekommen. Auf einem Transparent heißt es: »Wer von der CDU nicht reden will, soll vom Nazipack schweigen.« Der Landesvorsitzende der Linken in Sachsen, Rico Gebhardt, sagte: »Ich bin hier um gegen Rassisten und eine überforderte Landesregierung zu demonstrieren.«

Update 14.10 Uhr: Proteste gegen Naziaufmarsch in Eisenach
Gegen einen Aufmarsch von Neonazis in Eisenach wird zur Stunde unter anderem mit einer Blockade demonstriert. Die Polizei habe damit begonnen, die Blockade aufzulösen, hieß es von vor Ort. Demonstranten skandierten in Richtung der eingesetzten Beamten: »Wo wart ihr in Heidenau?« Die Grünen-Landtagsabgeordnete Madeleine Henfling sagte, »Eisenach und die Region müssen weiter ein bunter vielfältiger und weltoffenere Ort bleiben, in dem es keine Übergriffe auf Flüchtlinge und Asylsuchende gibt«. Die linke Oberbürgermeisterin Katja Wolf hatte dazu aufgerufen, sich an Protestaktionen gegen den von der NPD initiierten Aufmarsch zu beteiligen. Eisenachs NPD-Chef Patrick Wieschke hatte 100 Neonazis angemeldet - laut der »Thüringer Allgemeinen« hatten DGB und Linkspartei mit ebenso vielen Gegendemonstranten gerechnet.

Update 14 Uhr: Platz vor dem Dresdner Hauptbahnhof füllt sich
In Dresden treffen zur Stunde immer mehr Teilnehmer der Demonstration gegen rassistische Übergriffe und Aufmärsche sowie asylfeindliche Stimmungsmache der Politik ein. Das Bündnis »Dresden Nazifrei« hatte 1.000 Teilnehmer angemeldet. Auch gegen die politisch Verantwortlichen für die rassistischen Krawalle rechter Gewalttäter in Heidenau vor einer Woche soll demonstriert werden. Die Demonstration steht unter dem Motto »Heute die Pogrome von morgen verhindern! Schutz für Geflüchtete statt Verständnis für Rassisten«.

Update 13.15 Uhr: Karlsruhe kippt Versammlungsverbot für Heidenau komplett
Das Bundesverfassungsgericht hat das Versammlungsverbot für das sächsische Heidenau komplett aufgehoben. Das sagte ein Sprecher am Samstag in Karlsruhe. Er kündigte eine ausführlichere Erklärung für den Nachmittag an. Das oberste deutsche Verfassungsgericht bestätigte damit die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dresden, das am Freitag zunächst das vom Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge verhängte Versammlungsverbot per Eilentscheidung aufgehoben hatte. Die Richter entschieden, dass der »polizeiliche Notstand«, mit dem der Landkreis das Verbot begründet hatte, nicht hinreichend belegt worden sei. Das Versammlungsverbot hatte bundesweit für Empörung gesorgt. Am Freitagsabend entschied dann das Oberverwaltungsgericht in Bautzen, dass das Versammlungsverbot teilweise bestehen bleibt. Nur das Willkommensfest des Bündnisses »Dresden Nazifrei« für Flüchtlinge durfte am Freitag stattfinden. Geplante neue Aufmärsche von rechten Gruppen, Rassisten und »besorgten Bürgern« am Wochenende blieben demnach verboten.

Update 11.15 Uhr: UN-Generalsekretär ruft zu Flüchtlings-Gipfel
Unter dem Eindruck der sterbenden Flüchtlinge im Mittelmeer und auf den Fluchtrouten auf Land wie in Österreich hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die internationale Gemeinschaft eindringlich zum Handeln aufgefordert. Trotz aller Rettungsaktionen und anderer Bemühungen der Europäischen Gemeinschaft »bleibt das Mittelmeer eine Todesfalle für Flüchtlinge und Migranten«, sagte er in einem in New York verbreiteten Statement. Die hohe Flüchtlingszahlen seien Ausdruck tiefer liegende Probleme, wie Krieg, Gewalt und Unterdrückung. »Es ist eine Krise der Solidarität, nicht der Zahlen«, mahnte Ban Ki Moon. Der UN-Generalsekretär rief zu einem Flüchtlingsgipfel am 30. September in New York am Rand der Generaldebatte der UN-Vollversammlung auf. Die Flüchtlingstragödien zeigten auch, wie verzweifelt viele Menschen Schutz oder ein neues Leben suchten. Viele davon kämen aus Kriegsgebieten wie Syrien, dem Irak oder Afghanistan. »Das ist eine menschliche Tragödie, die entschlossenes und gemeinsames politisches Handeln erfordert«, mahnte Ban. Die Staatengemeinschaft tue zu wenig, um Konflikte zu lösen. Nach UN-Angaben haben in diesem Jahr bereits mehr als 300.000 Migranten den gefährlichen Weg über das Mittelmeer nach Europa gewagt. Davon kamen 200.000 in Griechenland an, 110.000 in Italien. Schätzungen zufolge starben bei der Überfahrt in diesem Jahr bereits 2.500 Menschen. Am Freitag wurde befürchtet, dass weitere 200 Bootsflüchtlinge vor der libyschen Küste ums Leben kamen.

Update 10.55 Uhr: Elfjähriger in Berlin rassistisch beleidigt
In Berlin-Hellersdorf ist am Freitagnachmittag ein elfjähriger Junge rassistisch beleidigt worden. Wie die Polizei am Samstag mitteilte, spielte der Junge russischer Abstammung in Begleitung eines 24-jährigen Betreuers mit anderen Flüchtlingskindern auf einem Spielplatz. Als der Elfjährige mit einem anderen Kind in Streit geriet, soll ein 31-Jähriger unbeteiligter Mann den Jungen rassistisch beleidigt haben. Die Polizei leitete ein Strafermittlungsverfahren gegen den Mann ein, der Staatsschutz führt die Ermittlungen. (In einer früheren Version war von einem Mädchen die Rede, die Agentur hat das inzwischen korrigiert.)

Update 10.30 Uhr: CDU-Bouffier: Es kommen noch mehr Flüchtlinge
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat die jüngste Flüchtlingsprognose der Bundesregierung in Zweifel gezogen. Er rechne für dieses Jahr mit rund einer Million Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen, sagte Bouffier am Freitagabend im hr-Fernsehen. Das wären noch einmal 200.000 Menschen mehr, als die aktuelle Schätzung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) prognostiziert. Diese Herausforderung werde Deutschland noch auf Jahre fordern, sagte Bouffier. Rechte und rassistische Umtriebe gegen Flüchtlinge werde er nicht dulden, sagte er zudem: »Wenn da irgendwo eine Horde auftreten würde, darf man sicher sein: In Hessen würde die Polizei nicht zögern, die in die Schranken zu weisen«, sagte er. »Dafür stehe ich auch persönlich.«

Update 9 Uhr: CDU-Staatssekretär setzt Antifa mit NPD gleich
Mit einem Tweet hat der CDU-Politiker, Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär im Finanzministerium Jens Spahn für Empörung gesorgt: Er nannte linke Demonstranten, die in Heidenau den CDU-Innenminister Markus Ulbig lauthals unter anderem wegen dessen zögerlichen Eingreifens gegen rassistische Aufmärsche kritisiert hatten, »linkes Pack« und unterstellte ihnen, »ihr skandiert auf nem ›Willkommensfest‹ die gleichen Parolen wie die NPD«. Später korrigierte Spahn den Tweet, der dann nur noch mit »Liebe Antifa« begann. Der »ironische« Bezug »frei nach Gabriel«, der sich auf die »Pack«-Aussage des SPD-Vorsitzenden berief, sei nicht angebracht, begründete Spahn die Neuformulierung. »Andere Menschen herabwürdigen, Andersdenkende niederschreien, Gewalt verharmlosen, ist niemals zu rechtfertigen«, so der CDU-Politiker.

Der grüne Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht kommentierte Spahns Äußerung mit den Worten: Auch nach der Korrektur sei es eine »peinliche Gleichsetzung! Gegen Menschen(rechte) hetzen und dies nicht hinnehmen wollen, ist Unterschied«. Der Linken-Politiker Niema Movassat fragte Spahn, ob er NPD-Gleichsetzungen auch dann vornehme, wenn die CSU die Parolen der Neonazipartei etwa in der Asylpolitik übernimmt. Der Sprecher der Grünen Jugend Niedersachsen, Marcel Duda, sagte zu Spahn, dieser habe »die selben Feindbilder wie die NPD«. Die Gleichsetzung derer, die sich solidarisch mit Flüchtlingen zeigen und gegen rechte Hetze aufstehen mit den rassistischen »besorgten Bürgern« und mit Neonazis werde »nicht besser ohne« die Formulierung »Pack«, so Duda.

Doch auch auf Spahns Seite ergriffen weitere CDU-Politiker das Wort – in ähnlicher Weise. Der Bibliser CDU-Politiker Hans-Michael Platz twitterte: »Die Antifa hält sich für ‘die Guten’. Aber es sind genauso faschistische Rollkommandos wie früher die SA.« Dies kritisierte die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen als »einfach nur widerlich«. Die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert zeigte sich »entsetzt wie führende CDU-Politiker antifaschistische Arbeit diskreditieren. Sie verharmlosen die braune Gefahr von rechts.«

Update 8.30 Uhr: Angriff auf Linken-Büro in Pirna
In der Nacht haben Unbekannte das Büro der Linkspartei Sächsische Schweiz/Osterzgebirge in Pirna attackiert. Es wurden »nahezu alle Scheiben der Geschäftsstelle« eingeworfen, berichtete die Linkspartei im Sozialen Netzwerk Facebook. »Wir sehen einen Zusammenhang zu den rassistischen Krawallen in Heidenau«, hieß es weiter. Die Polizei habe die Ermittlungen zu dem Angriff an das Operative Abwehrzentrum weitergeleitet, das für rechtsradikale Überfälle zuständig ist.

Heute in Dresden: Kommt nach vorne!

Berlin. Gegen rassistische Übergriffe und Aufmärsche sowie asylfeindliche Stimmungsmache der Politik wollen am Samstag in Dresden zahlreiche Menschen auf die Straße gehen. Die Veranstalter vom Bündnis »Dresden Nazifrei« haben 1.000 Teilnehmer angemeldet und erwarten auch Demonstranten aus Leipzig, Berlin, Frankfurt und Jena. Auch gegen die politisch Verantwortlichen für die rassistischen Krawalle rechter Gewalttäter in Heidenau vor einer Woche soll demonstriert werden.

Die Demonstration steht unter dem Motto »Heute die Pogrome von morgen verhindern! Schutz für Geflüchtete statt Verständnis für Rassisten« und soll um 14 Uhr am Dresdner Hauptbahnhof beginnen. Nach einem Willkommensfest für Flüchtlinge am Freitag blieb es in Heidenau vor dem Notquartier für die Asylsuchenden in einem früheren Baumarkt weitgehend ruhig. Mitglieder des Aktionsbündnisses Dresden Nazifrei verteilten in der Unterkunft Spenden an Flüchtlinge und errichteten Hüpfburgen sowie eine Bühne für ein Solidaritätskonzert.

Gericht setzt Demoverbot für Heidenau wieder in Kraft
OVG Bautzen nimmt Aufhebung des Versammlungsverbots zurück / DGB fordert Rücktritt des sächsischen Innenministers Ulbig (CDU) / Dresden Nazifrei mobilisiert nach Heidenau und Dresden - der Newsblog vom Freitag zum Nachlesen

»Heute ging es darum, die oft beschworene Willkommenskultur zu leben, auch ein Stück zu zelebrieren, und zu zeigen, dass diese bei entsprechendem Engagement auch in Sachsen und Heidenau möglich ist«, hieß es am Freitag beim Bündnis. »Dies ist dank eines unglaublichen Engagements vieler Einzelner über alle Erwartungen hinweg gelungen. Morgen geht es dann darum, nicht zuletzt auch die Begleitumstände des heutigen Festes zu thematisieren«, womit unter anderem politische und polizeiliche Verantwortliche für behördlichen Rassismus, »sächsische Verhältnisse« und die Asylpolitik gemeint sind. »Beides bedingt einander: Willkommenskultur ist ohne Analyse und klare Benennung der Probleme nicht möglich«, so das Bündnis.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) will angesichts der jüngsten rassistischen Ausschreitungen in seinem Bundesland entschiedener gegen Neonazis vorgehen. Sachsen werde nun doch »mit aller Härte« gegen die rechtsradikale Szene vorgehen, kündigte Tillich in der »Bild«-Zeitung an. Die Politik in Sachsen war oft kritisiert worden, zwar gegen Antifaschisten vorzugehen, auf dem rechten Auge aber zumindest eine grobe Sehschwäche zu haben.

Am Abend kesselten in Heidenau Polizeikräfte etwa 180 Neonazis und »besorgte Bürger« ein, die sich gegenüber dem Festplatz an einem Supermarkt versammelt hatten. Einer nach den anderen musste heraustreten und seine Personalien angeben. Zudem wurden sie fotografiert. Ein von der Polizei aufgestellter Lichtmast erhellte die Szenerie. Nach der Personalienfeststellung sollte jeder einzelne einen persönlichen Platzverweis erhalten. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat zu den Ausschreitungen vor der Flüchtlingsunterkunft inzwichen einen sogenannten Prüfvorgang angelegt, berichtet die Polit-Illustrierte »Spiegel«. Die oberste Strafverfolgungsbehörde könne damit die Ermittlungen in dem Fall an sich ziehen.

Zwar sei der überwiegende Teil der Menschen in Sachsen weltoffen und engagiere sich gerade jetzt auch für eine gute Aufnahme der Flüchtlinge, sagte Tillich. Doch gebe es auch eine rechte Szene und »diese Leute, die am Rand von NPD-Aufmärschen applaudieren«. Solche Menschen begäben sich an den Rand der Gesellschaft, sagte der CDU-Politiker. Sie beklatschten einen Ungeist, der in Deutschland aber nie wieder herrschen werde.

Tillich zeigte sich »froh« und erleichtert, dass das Willkommensfest für Flüchtlinge im sächsischen Heidenau am Freitag doch hatte stattfinden können. »Das Willkommen und die Sicherheit der Flüchtlinge wie auch die Versammlungsfreiheit sind unsere Aufgabe. Deshalb haben wir die schwierigen Abstimmungen mit den Polizeibehörden der anderen Länder mit Hochdruck vorangetrieben«, fügte der sächsische Regierungschef hinzu. Ein für das Wochenende erlassenes Versammlungsverbot in der Kleinstadt wegen »polizeilichen Notstands« hatte zwischenzeitlich auch das Willkommensfest für Flüchtlinge gefährdet.

In Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern hat ein 23-Jähriger in der Nacht zum Samstag syrische Flüchtling tätlich angegriffen worden. Mit den Worten »Was wollt Ihr hier?« sei er erst auf einen 21-Jährigen losgegangen und habe dann einen 24-Jährigen mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Ein junges Paar kam den beiden Asylbewerbern zur Hilfe und wurde von weiteren Rassisten verbal attackiert, teilte die Polizei weiter mit. Die Polizei ging dazwischen und ermittelt gegen den Angreifer.

Nach dem Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in Salzhemmendorf bei Hameln haben die drei festgenommenen Verdächtigen Geständnisse abgelegt. Dies erklärte Niedersachsens Ministerpräsident Stefan Weil. Die Zwei Männer im Alter von 24 und 30 Jahren aus Salzhemmendorf sowie eine 23-jährige Frau aus dem Raum Hannover waren am Freitag festgenommen worden.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) haben derweil vor einer Verrohung der Debatte über die gegenwärtige Flüchtlingskrise gewarnt. De Maizière sagte der »Süddeutschen Zeitung«, angesichts der Hetze gegen Flüchtlinge sei er besorgt über »das Maß und die Art an Verrohung unserer Sprache und unseres Umgangs mit- und untereinander«. Wo Menschen nicht dafür einstehen müssten, was sie sagen oder schreiben, weil sie es anonym tun, sei dies oft noch extremer.

»Gerade im Internet in geschlossenen Gruppen, in denen sich die Menschen gegenseitig in ihren Ansichten bestätigen und aufstacheln, glauben die Menschen dann auch noch, sie würden die Meinung einer schweigenden Mehrheit zum Ausdruck bringen, wenn sie gegen Ausländer hetzen oder Presse und Politik verteufeln«, kritisierte de Maizière. Diesen Menschen könne er nur entgegenhalten: »Ich bin froh, dass dem nicht so ist und stolz darauf, dass Deutschland ein offenes und tolerantes Land ist.«

Gabriel sagte der Zeitung, es bereite ihm Sorgen, »dass in der Mitte der Gesellschaft der Anteil derjenigen wächst, die Politik, Politiker und Parteien verachten«. Randalierer wie im sächsischen Heidenau seien ein »Sicherheitsproblem«. »Aber die Politikverächter in der Mitte der Gesellschaft stellen ein demokratisches, ein tiefsitzendes gesellschaftliches Problem dar. Dem müssen wir uns dringend widmen«, mahnte der SPD-Chef.

Nach Gabriels Besuch am Montag in Heidenau hatte die SPD-Zentrale in Berlin bis zum Ende der Woche weit über tausend Emails mit zum Teil wüsten Beleidigungen erreicht. In mindestens 26 Fällen prüfe die Partei eine Strafanzeige. Gabriel wies den Vorwurf zurück, er habe in Heidenau die Stimmungslage weiter angeheizt, weil er die Krawallmacher als »Pack« bezeichnet hatte. »Da gibt es gar nichts mehr anzuheizen«, sagte der Bundeswirtschaftsminister. Agenturen/nd

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