Schüsse auf Flüchtlingsboot: 17-Jähriger getötet
Ungarn hat den umstrittenen Grenzzaun zu Serbien fertig / Altkanzler Schröder gegen neue Mauern / Aufnahmestellen zur Registrierung in Griechenland und Italien kommen
Berlin. Beim Vorgehen von griechischen Behörden und von Frontex gegen ein Flüchtlingsboot ist ein 17-jährige Flüchtling getötet worden. In Berichten heißt es, als ein Schiff mit etwa 70 Migranten von der türkischen Westküste vor der südöstlichen Insel Symi in griechische Gewässer habe eindringen wollen, habe es einen »ernsthaften Zwischenfall« gegeben. Bei einer Auseinandersetzung zwischen der griechischen Hafenpolizei und mutmaßlichen Schleusern sei ein Schuss gefallen. Wahrscheinlich dadurch sei der 17-Jährige an Bord getötet worden, sagte ein Arzt des Gesundheitszentrums von Symi der Ministeriumserklärung zufolge. Zur Herkunft des Todesopfers wurden keine Angaben gemacht. Es wurden Ermittlungen eingeleitet.
Handelsmarineminister Christos Zois brachte seine Trauer über den Tod des jugendlichen Flüchtlings zum Ausdruck. Zugleich lobte er die Polizei für ihren »täglichen Kampf unter schwierigen Umständen, um Migranten zu helfen«.
Griechenland sieht zurzeit mit einem massiven Andrang von Flüchtlingen, insbesondere aus dem Nahen Osten und Asien, konfrontiert. Seit Jahresbeginn landeten schon mehr als 160.000 Flüchtlinge an der griechischen Küste. Die griechischen Behörden wurden wiederholt wegen ihres Umgangs mit der Flüchtlingskrise kritisiert.
Derweil geht die Politik der Abschottung weiter. Der umstrittene Zaun an der 175 Kilometer langen Grenze von Ungarn zu Serbien ist fertig. Dies meldete die staatliche Nachrichtenagentur MTI am Samstagabend unter Berufung auf das Verteidigungsministerium. Die rechts-konservative Regierung will damit erreichen, dass weniger Flüchtlinge entlang der »Balkan-Route« durch Südosteuropa und Ungarn nach Norden und Westen ziehen.
Altkanzler Gerhard Schröder äußerte sich besorgt. »Weder das Mittelmeer noch neue Mauern, wie sie etwa in Ungarn gebaut werden, halten Menschen in ihrer Verzweiflung auf«, schrieb er für die »Welt am Sonntag«. »Wir dürfen diese Migration in und nach Europa nicht durch neue Eiserne Vorhänge zu verhindern versuchen. Stattdessen müssen wir sie steuern, müssen integrieren und müssen Perspektiven in den Herkunftsländern schaffen.«
Die Innenminister von Deutschland, Frankreich und Großbritannien setzen auf große Aufnahmestellen zur Registrierung von Flüchtlingen in Italien und Griechenland. Sie sollen bis Ende des Jahres funktionstüchtig sein, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Samstag in Paris nach Treffen mit seinen Amtskollegen Bernard Cazeneuve und Theresa May. Dort solle auch eine erste Prüfung stattfinden, ob die Betreffenden schutzbedürftig seien. Andernfalls würden sie in ihre Heimatländer zurückgeführt - so der Plan.
Nach dem grausigen Fund von 71 vermutlich erstickten Flüchtlingen in einem Lastwagen bei Wien nahm ein ungarisches Gericht vier mutmaßliche Schleuser in Untersuchungshaft. Es handelt sich um drei Bulgaren im Alter von 29, 30 und 50 Jahren sowie einen 28-jährigen Afghanen, wie das Kreisgericht der Stadt Kecskemet am Samstag mitteilte. Die Polizei in Österreich griff zudem erneut einen Laster mit 26 Flüchtlingen auf. Aus dem stickigen Laderaum wurden drei entkräftete Kleinkinder gerettet, die kurz vor dem Verdursten waren. Agenturen/nd
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