Ruhm und Zirkus
»Zu Gast in der Welt - Die Welt zu Gast« - ein Erinnerungsbuch von Hermann Falk über die Künstleragentur der DDR
Der Mann hatte zwanzig Jahre lang ein Amt, das in ruhigen Zeiten einen Namen macht. Aber solche Ruhe hat es für Hermann Falk nicht gegeben. Wo er lebte und wirkte, rechneten die Politiker bei jedem Aufschwung sich selber den Erfolg zu, aber für schwierige, gar bedrängte Zeiten überwiesen sie die sträflichen Ursachen allemal an den Bereich von Kunst und Kultur. Die damit Befassten überlebten das meist unbelehrt, aber dafür ist niemand zu loben.
Hermann Falk, Generaldirektor der Künstleragentur der DDR, hat über die zwei Jahrzehnte seiner Arbeit mit Bühnenkünstlern ein Buch geschrieben. Wir sind uns manchmal begegnet, meist gab es gerade wieder Zoff mit seiner Agentur, und Grund, über sie zu klagen. Entscheidung war anzumahnen, im Umfang des Glaubwürdigen konnte man sogar ein bisschen drohen. Das wird ihn nicht besonders beeindruckt haben, denn das konnten seine politischen Obrigkeiten besser. Von ihnen hing es ab, ob er Weltberühmtheiten auf die heimische Bühne bringen durfte. Das kostete Geld, und bis zum letzten Augenblick die Kontrolle darüber, ob vorher ersehnte Personen nicht etwa was »gegen uns« gesagt, oder Fragwürdiges getan hatten.
Für die Lebensleistung, die Falk trotz immer zittriger Position am Tagesende abrechnen kann, ist ihm zu danken. Ich bin sicher, dass er manchmal lieber Bäcker gewesen wäre, oder gern den Schreibtisch umgekippt hätte, aber er hat seine Arbeit geliebt, und es hat ja immer den Augenblick gegeben, wo die jeweilige Örtlichkeit vom Jubel beinahe zusammengebrochen wäre. Wo alles stimmte, wo Tränen flossen, und die Freude einmal wieder alles Graue abwusch. Ob es klappt, wirklich klappt, schien selten sicher. Die große Lage spielte immer hinein, und die heimische auch.
Aber damals, als Miriam Makeba auf die Bühne kam, und als wir dann mit ihr sangen, alle, auch die Unmusikalischen: Es war wunderbar, und auch ich habe da nicht an Hermann Falk gedacht, der sich hinter der Bühne den Schweiß abgewischt haben mag. Unvergesslich, und in meinem Herzen auf Samt und Seide gebettet, wie Harry Belafonte auf die Bühne kam. Er hat uns angelächelt, war so, wie wir ihn uns vorgestellt hatten. Ja, aber bis es zu unserem Jubel kommen konnte, hat es Vorarbeit gegeben. Ein falsches Wort auf der Bühne, und Falk wäre in Ungnade gefallen. Dafür gibt es traurige Beispiele.
Falk hat sich darum bemüht, dass begehrte Künstler bei uns zu Gast waren. Das hat schöne Aufregung in unser manchmal behäbiges Land gebracht. Er sollte bei solchen Gastspielen die Künstler auch anregen, draußen in der weiten Welt freundlich über uns zu berichten. Dumm war das nicht, und da sie unseren Alltag nicht teilen mussten, kann man nach meiner Erfahrung sogar von Begeisterung sprechen, von Zuneigung. Was da hinterher gesagt wurde, galt vor allem diesem unverwöhnten, warmherzigen und seine Gefühle zeigenden Publikum, das Pointen schnell begriff und sich nicht abgeschmackt oder übersättigt vorführte. Ob Süverkrüp, Hermann van Veen, Branduardi oder Becaud, sie meinten, dass sie dieses Publikum vermissen werden. Solche Abende sind gerade wieder gefragt. Schaffen schwierige Zeiten neue Nachdenklichkeit?
Falk hatte auch eine andere, anders schwierige Aufgabe: Er sollte Künstler aus der DDR in die Welt bringen. Darüber schreibt er ausführlich, und für den Bereich der sogenannten E-Künstler hat er auch Beachtliches vorzuweisen. Sänger mit klassischem Repertoire, Instrumentalisten, Regisseure und ausgesuchte Theaterensembles wurden gern als Belege unserer schöpferischen Vielfalt rausgeschickt.
Ein Thema habe ich in dem Buch jedoch nicht ausführlich genug gefunden: Wie es Unterhaltungskünstlern ergangen ist. Falk konnte nichts dafür, dass eine Artistikausbildung für Familienmitglieder im Zirkus nicht erlaubt war. Wir als Komitee für Unterhaltungskunst haben diese dumme Ungerechtigkeit damals durch kollektiven Druck abgeschafft. Artisten durften ihren Nachwuchs ausbilden. Gemeinsam ins kapitalistische Ausland reisen durften sie aber nicht. Ein Kapitel über enttäuschte Hoffnungen, leere Versprechungen und ewige Ausreden, von oben verfügte »Begleiter«, die sich als Petzer erwiesen, fehlt mir. Unterhaltungskünstler wurden oft schäbig, herablassend und misstrauisch behandelt.
Hermann Falk war es auferlegt, möglichst nur Künstler ins Ausland zu schicken, deren ruhmreiche Wiederkehr sicher schien. Rockmusiker erzählen in Büchern leidvoll davon. Und ich könnte das auch, als Vertreterin ihrer Interessen. Alle durften an die Trasse, auch nach Kuba, nach Vietnam, sogar in ein Emirat - aber nach Westberlin? Das war schon schwieriger. Es ist unfair, wenn Falk schreibt, dass unzufriedene Künstler, deshalb nicht ins Ausland gekommen waren, weil es nach ihnen keine Nachfrage gab, weil sie »in der DDR auch nicht berühmt waren«. Unfair und unnötig, einen Teil der schlecht behandelten Künstler als minderbegabt zu denunzieren.
Über die Prominenten, die bei uns für unser Geld aufgetreten sind, sagt Falk nur Freundliches. Aber ganz nebenbei, dass es ja in der DDR auch was zu kaufen gab. Ja. Für DDR-Mark Geld gab es Meissener Porzellan und Antiquitäten, Musikinstrumente und kostbare Bücher. Da die Künstler mit der Befreiung von Zollgebühren ausgestattet wurden, kamen einige sehr gern wieder, um noch mehr Biedermeiermöbel oder Pelze in Leipzig für »unser Geld« zu erwerben, in einem Fall auch gleich einen Flügel für die Wohnung in Paris.
Über die goldene Trompete für Satchmo kein böses Wort. Er war hier, und es war wunderbar. Heinz Kahlau schrieb damals ein Gedicht, da hieß es: Soll er doch, und es war die Rede davon, dass er für die Engel und für Gott spielt, auf seiner goldenen Trompete, » soll er doch ...«
Viele waren hier, und manche waren dort, oder dort ... es war Frieden, und Hermann Falk hat sein Buch über eine Arbeit geschrieben, die er geliebt hat, und um die ihn manche nicht beneidet haben.
Hermann Falk: Zu Gast in der Welt - Die Welt zu Gast. Die Künstleragentur der DDR. Fakten und Anekdoten zum internationalen Künstleraustausch. Nora Verlag. 414 S., br., 22 €.
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