Weniger sollen wieder Schiffe bauen

Neuer Investor für die Nordseewerke in Emden übernimmt nur 65 von 175 Beschäftigten

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Von den 175 Mitarbeitern der insolventen Nordseewerke will ihr neuer Investor 65 übernehmen. Für ihre 110 Kollegen gibt es bislang keine konkrete Perspektive, sondern nur eine Transfergesellschaft.

Die Ungewissheit, die bange Frage »was wird aus uns?« bedrückt die überwiegende Zahl der Nordwerker in Emden nach wie vor, denn: 110 von ihnen warten weiter auf Arbeit. Sie sind jetzt nach Abschluss von Verhandlungen über die Zukunft des Unternehmens nur zwischengelandet in einer Transfergesellschaft. Deren Finanzierung ist auf vorerst vier Monate befristet.

»Es wurde ein Investor für die Nordseewerke gefunden«, ließ Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) am Dienstagabend verkünden. Lange hatte er zuvor mit Vertretern von Unternehmen und Arbeitnehmern sowie dem Insolvenzverwalter erörtert, ob und wie es mit dem Traditionsbetrieb weitergehen kann. Möglichkeiten dazu sieht die Unternehmensgruppe Seaford Advisors aus Hamburg. Als neuen Investor hat sie jetzt die »Nordseewerke Emden Shipyard« (NES) gegründet. Sie und die Seaford-Tochtergesellschaft »Emder Werft und Dock« übernehmen zusammen 65 Mitarbeiter der in die Pleite geratenen Werke.

Mit »Stahl- und Segmentbau« werde sich die NES an dem ostfriesischen Standort engagieren, vermeldet das Wirtschaftsministerium in Hannover. In Emden ist bereits Konkreteres zu hören: Das Unternehmen plane, die Nordseewerke, die zuletzt Teile für Windkraftanlagen produzierten, zum Schiffsbau zurückzuführen. Die Fachkompetenz ist unbestritten: Seafort Advisors ist auf den Bereich Schifffahrt spezialisiert.

Der Name Nordseewerke bleibt also erhalten. Ein Name, der einst für Solidität bürgte und auf dem Lohnzettel als Ausweis eines sicheren Arbeitsplatzes galt. Doch außer dem Namen ist davon nichts geblieben. Statt Solidität gab es eine Doppelpleite, statt Sicherheit rapiden Arbeitsplatzabbau, statt 5400 Beschäftigten auf der Lohnliste wie 1964, waren es bei der Insolvenz im Mai 2015 nur noch rund 180.

Viele Emder empfinden das Schicksal der 1903 gegründeten Werft als Trauerspiel. Dessen Akte sind geprägt von der ständig sinkenden Zahl der Mitarbeiter. Sie wiederum ist signifikant für die in den 1970er-Jahren begonnene Werftenkrise, für rückläufige Aufträge im Schiffsbau. Ende 1975 standen noch 4800 Menschen bei den Nordseewerken in Lohn und Brot, drei Jahre darauf waren es nur noch 3000, Anfang der 2000er-Jahre etwa 1400. Das letzte Schiff des Emder Betriebs wurde im Dezember 2009 vom Stapel gelassen.

Im Laufe von 106 Jahren hatte das Unternehmen wechselnde Besitzer, zum Ende der Schiffsbauzeit war es ThyssenKrupp. Dieser Konzern verkaufte die Werke 2009 an die Schaaf-Industrie AG (SIAG), die in Emden Teile für Windenergie-Anlagen bauen wollte. Erster Schritt des neuen Eigentümers: Er warf die Hälfte der 1400 Nordwerker raus. Ihr letzter Schritt in Ostfriesland führte die SIAG 2013 zum Konkursrichter.

Die gleichen bösen Erfahrungen machten die Beschäftigten mit der folgenden Besitzerin, der saarländischen »DSD Steel Group«. Auch sie baute Arbeitsplätze ab, übernahm nur 240 Nordwerker. Und auch die DSD ging pleite, sie stellte Ende Mai 2015 Insolvenzantrag. »Übrig« blieben die Mitarbeiter, über deren Verbleib nun verhandelt worden war.

Anlass zum Jubeln ist das Ergebnis nicht. Wirtschaftsminister Lies spricht zwar von einem »wichtigen Schritt aus der akuten Krise«, räumt aber ein: Für ein langfristiges tragfähiges Fundament müsse weiter intensiv gearbeitet werden. Im Kreis der Arbeitnehmer blickt man indes zweifelnd in die Zukunft. Immer wieder habe es in den vergangenen Jahren ähnliche Versprechen gegeben, dass und wie es weitergehen solle, heißt es mit skeptischem Unterton aus dem Betriebsrat.

Düster betrachtet auch die Opposition die Entwicklung in Emden. Dirk Toepfer, stellvertretender Fraktionschef der CDU im Landtag, meint: »Die jetzige Lösung ist weder nachhaltig, noch stellt die befristete Beschäftigung für den verbleibenden Rest der Belegschaft eine echte Perspektive dar.«

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