Spenden, stiften, verprassen
Auch Linke tun sich schwer, über Besitz und Vermögen offen zu reden
Irgendwann wird Max ein kleines Vermögen erben. Keine Million, aber wohl eine sechsstellige Summe, dazu ein großes Haus, wahrscheinlich Wertpapiere, so genau weiß er das nicht. Mit der Frage, was er mit diesem Vermögen anfangen soll, hat sich der 27-jährige Student bisher kaum beschäftigt. »Ich habe das Geld meiner Eltern nie als mein eigenes wahrgenommen.« In seinen Politgruppen hat er sich für den finanziellen Background trotzdem immer geschämt. »Vielleicht ist es eine Angst, dass die anderen neidisch sein könnten.«
Geld ist ein Tabuthema, auch unter Linken. Während andere strukturelle Privilegien wieder und wieder analysiert werden - die eigene Hautfarbe, die sexuelle Orientierung, das Geschlecht - bleibt der Kontostand der anderen, und der ihrer Eltern meist im Dunkel.
In Berlin diskutierten kürzlich die Naturfreunde über die Frage: Was passiert, wenn die Genossin erbt? Claudia erzählte da von ihrer Finanzkooperative. Das Konzept: Eine Gruppe von Erwachsenen, ein gemeinsames Konto, alle Einkommen werden kollektiviert und je nach Bedarf genutzt. Doch als einige der Mitglieder erbten, taten sich Fragen auf. Ob man nicht einen Teil des Erbes für sich behalten könne, »aus emotionalen Gründen«? Und wie dafür gesorgt wird, dass die eigenen Kinder langfristig abgesichert sind? Auf diese Fragen hat die Gruppe noch keine Antworten gefunden. »Aber wir haben uns dafür entschieden, in unserem Rahmen soziale Unterschiede weitgehend abzubauen«, sagt Claudia. Will man konsequent sein, müsse das auch für Erbschaften gelten, da gerade die für eine massive Zementierung sozialer Unterschiede sorgten.
Das Geld auf die eine oder andere Weise zu kollektivieren, können sich die meisten vorstellen, irgendwann in ferner Zukunft. Die Ansprüche untereinander jedenfalls werden hoch gesetzt: das eigene Erbe in den Wind schießen, nicht den Gönner zu spielen. Und doch: Wenn es um die Familie geht, gelingt es auch den Linken nicht, sich völlig frei zu machen vom Bestreben, für die eigenen Kinder möglichst viel in trockene Tücher zu bringen. »Ich habe das Gefühl«, sagt einer der Naturfreunde, »dass der Glaube in einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel abnimmt.« Stattdessen wachse das Bedürfnis nach Sicherheit. Die Menschen seien, anders als noch in den 70er Jahren, weniger bereit, ihr Geld in die eigenen Politgruppen zu stecken.
Auch Max würde sein Erbe nicht seiner politischen Gruppe zur Verfügung stellen. »Wir sind alle noch so jung, wer weiß, wohin sich jeder einzelne in fünf Jahren entwickelt.« Ihm sei es wichtig, dass das Geld »gut angelegt« ist, in eine stabile Organisation, die langfristig Bestand hat.
Die Bewegungsstiftung bietet eine solche Möglichkeit. »Viele unserer Stifter verstehen sich als progressiv und links und haben lange nach Möglichkeiten gesucht, wie sie mit ihrem Geld gesellschaftlichen Wandel voranbringen können, ohne direkten Einfluss auf die Mittelverwendung zu nehmen«, erzählt Geschäftsführer Matthias Fiedler.
Aber sollten Linke überhaupt einen Anspruch darauf haben, über ihr Erbe zu entscheiden? Über ein finanzielles Privileg, das sie eigentlich grundsätzlich ablehnen müssten? Fiedler findet, dass man von jeder Person, die einen großen Batzen geerbt hat, eine Auseinandersetzung darüber verlangen könne, warum sie nicht einen Teil des Vermögens zugunsten des Gemeinwohls abgibt. Eigentlich wäre das Aufgabe des Staates, aber der lässt den Erben freie Hand. 400 000 Euro können Kinder von ihren Eltern steuerfrei erben, der Spitzensteuersatz von 30 Prozent greift erst ab einem Erbe von 26 Millionen.
Einige Vermögende in der Bewegungsstiftung fordern deshalb höhere Besteuerung. Es gibt allerdings auch die gegenteilige Meinung. Menschen, die angesichts der momentanen Schwerpunktsetzung bei den Staatsausgaben froh sind, dass sie über ihr Erbe selbst entscheiden können.
Wenn reiche Linke die Umverteilung selbst in die Hand nehmen, stellt sich allerdings ein demokratisches Problem. »Wie das im Extremfall aussehen kann, sieht man in den USA, wo die Communities nur funktionieren, weil es reiche Wohltäter gibt«, sagt Fiedler. Die Bewegungsstiftung versucht, über komplexe Entscheidungsprozesse ein Stück fehlender Legitimation wettzumachen. »Wir wollen den Staat gerade nicht aus seiner Verantwortung entlassen«, so Fiedler. Im Gegenteil, man wolle Initiativen und Kampagnen finanzieren, die Druck auf den Staat ausüben und ihn genau daran erinnern.
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