Fair ist nicht immer gleich fair
Verbraucher stehen im Supermarkt teils rätselnd vor den Produktsiegeln
Der Weg des Kaffees von der Plantage bis in die Tasse ist lang und hat viele Zwischenstationen. Meist weiß der Kunde nicht, durch welche Hände die ursprünglich roten »Bohnen« bereits gegangen sind, bis sie als braunes Getränk bei ihm auf dem Tisch stehen. Beim fair gehandelten Kaffee soll das anders sein, die Unternehmen versprechen neben sozial und ökologisch nachhaltiger Produktion weitreichende Transparenz bei der Lieferkette, beim Preis und über die Hersteller selbst.
Fairtrade ist ein Wachstumsmarkt - laut Zahlen des Forums Fairer Handel stieg der Umsatz in Deutschland zwischen 2005 und 2014 von 121 Millionen Euro auf über eine Milliarde Euro. Allerdings gibt es Spielraum: Im vergangenen Jahr gab jeder Bundesbürger im Durchschnitt gerade mal 13 Euro für fair gehandelte Produkte aus, in Großbritannien waren es 33 Euro, in der Schweiz 57 Euro.
Beim wichtigsten Fairtrade-Produkt Kaffee sind die Verbände in Sachen Transparenz schon recht weit. Transfair gibt Schulmaterialien heraus, in denen der Endpreis des beliebtesten Heißgetränks der Deutschen aufgeschlüsselt wird. Neben dem Einkaufspreis gehen Fairtrade-Prämien, eventuelle Bioaufschläge, Fracht-, Röst-, Verpackungs-, Verwaltungs-, Vertriebs- und Lagerkosten, Steuern und Lizenzgebühren in den Preis ein. Exakt ermitteln lassen sich die einzelnen Posten dennoch nicht, denn auch fairer Kaffee ist trotz des garantierten Mindestpreises für die Erzeuger den Schwankungen der Weltmärkte unterworfen. Auch für faire Bananen, Schokolade und Blumen - letztere machen inzwischen immerhin ein Viertel der in Deutschland verkauften Blumen aus - gibt es Beispielrechnungen. Transfair-Sprecherin Claudia Brück sagt, die Branche sei »die einzige Bewegung, die sich mit Preisen auseinandersetzt«.
Während jedoch Weltläden und faire Vertriebsorganisationen versuchen, die Käufer möglichst exakt zu informieren, hinken die Supermärkte hinterher. Zwar wollen viele am Boom teilnehmen und haben in den vergangenen Jahren ein Fairtrade-Sortiment aufgebaut. Über 42 000 Läden verkaufen hierzulande inzwischen mindestens ein fair gehandeltes Produkt. Mit der Transparenz sieht es gerade bei den großen Ketten allerdings oft schlecht aus. Das gilt besonders für Mischprodukte aus fairen und konventionellen Bestandteilen.
Ein Siegel hilft da oft nicht viel weiter. Neben dem von Transfair vergebenen Fairtrade-Siegel gibt es nämlich etliche weitere Logos verschiedener Organisationen für verschiedene Produkte. Die Anforderungen sind unterschiedlich, so kommen etwa bei Naturland Fair strenge Biokriterien hinzu. Die Rainforest Alliance dagegen zertifiziert zwar den regenwaldschützenden Anbau und die 4C Association soziale Mindeststandards - beide haben aber keinen entwicklungspolitischen Ansatz. Verbraucherschützer fordern seit langem ein einheitliches gesetzliches Siegel, das Kontrollen unterliegt und den Kunden Durchblick verschaffen soll.
Fair ist kein geschützter Begriff, praktisch jeder kann versuchen, seine Produkte damit aufzuwerten. Auch in der aktuellen Debatte um die Milchpreise für europäische Bauern ist er oft zu hören. Mit der in den 1960er/1970er Jahren aus der Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem mit seiner Unterdrückung des globalen Südens entstandenen Fairhandelsbewegung hat die »faire Milch« jedoch wenig zu tun.
Wer als Bananen-, Kaffee- oder Textilproduzent eines der Siegel erhalten will, muss dagegen viele Anforderungen erfüllen. Gerechte Löhne etwa, Mitbestimmung der Beschäftigten, gesundheitlich und ökologisch unbedenkliche Arbeitsbedingungen und vieles andere. Kontrolliert wird die Einhaltung von verschiedenen Organisationen in den Erzeugerländern. Die Kontrolleure werden ihrerseits von internationalen Prüfern kontrolliert. Bei Naturland Fair gibt es zudem ein internes System, bei dem Bauern einer Agrarkooperative sich gegenseitig an die Standards erinnern.
Trotz aller Anstrengungen: Der »Spagat zwischen Marktbedingungen und Anspruch«, von dem Barbara Schimmelpfennig, Sprecherin der Fairhandelsorganisation Gepa, spricht, scheint unauflöslich. Denn der »Kapitalismus verursacht Probleme, auf die der faire Handel reagieren muss«, sagt auch Martin Lang von der Dwp Fairhandelsgenossenschaft.
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