Bettenbauen bis in die Nacht

Überwältigende Hilfe Potsdamer Bürger bei der schnellen Unterbringung von Flüchtlingen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Es musste schnell gehen und es ging schnell. Rotes Kreuz, Ehrenamtliche und Soldaten richteten das alte Potsdamer Sozialministerium in einer Hauruckaktion als Flüchtlingsunterkunft her.

Es geht Holterdipolter. Aber nicht zuletzt wegen der überwältigenden Hilfsbereitschaft vieler Einwohner der Stadt Potsdam scheint es doch zu gelingen. Die Erstaufnahme für Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt und alle Außenstellen sind voll belegt, sogar überbelegt. Darum fiel kurzfristig die Entscheidung, eine weitere Filiale im alten Sozialministerium und im ehemaligen Umweltministerium an der Potsdamer Heinrich-Mann-Allee 103 unterzubringen. Die 460 Beschäftigten sind vor ein paar Wochen in einen Neubau im Stadtzentrum umgezogen. Der frühere Standort sollte eigentlich ab dem kommenden Jahr durch die Bundespolizei und den Landesbetrieb Forst nachgenutzt werden. Das verschiebe sich nun, erläuterte das für die Liegenschaften zuständige Finanzministerium.

Als am Montag ins alternative Jugendzentrum »Freiland« geladen wurde, um die ehrenamtliche Arbeit zu koordinieren, meldeten sich dort 150 Bürger. Bis 22 Uhr haben diese Menschen gemeinsam mit Bundeswehrsoldaten und Kräften des Deutschen Roten Kreuzes im bereits leer geräumten Regine-Hildebrandt-Haus Teppiche gesaugt, Fußböden gewischt und Feldbetten aufgestellt. Die Zeit drängte, denn zunächst glaubte man, dass die ersten Flüchtlinge noch am selben Tag eintreffen würden.

Doch der Sonderzug aus dem bayerischen Freilassing verspätete sich. 518 Menschen hatte er zunächst an Bord. Doch unterwegs wurde mehrfach die Notbremse gezogen - erst kurz vor Bitterfeld und dann kurz vor Dessau. 179 Fahrgäste sprangen ab, 67 wurden später wieder eingesammelt und in eine Flüchtlingsunterkunft in Halberstadt gebracht. »Der Zug sollte ursprünglich in ein anderes Bundesland gehen, das aber signalisiert hatte, keine weiteren Flüchtlinge mehr aufnehmen zu können«, erklärte die Berliner Senatsverwaltung. »Die Länder Berlin und Brandenburg hatten sich daher spontan entschlossen, die Menschen bei uns aufzunehmen.« Der Zug sei deshalb umgeleitet worden, als er schon fuhr.

Möglicherweise irritierte dies Flüchtlinge, die daraufhin die Notbremse betätigten. Am Dienstagmorgen gegen 9.40 Uhr erreichte der Intercity schließlich den Bahnhof Schönefeld, von wo die Flüchtlinge auf Berlin und Brandenburg verteilt werden sollten. Für 290 von ihnen wurde Platz an der Potsdamer Heinrich-Mann-Allee geschaffen. Die fünf Gebäude dort würden für rund 700 Flüchtlinge ausreichen, glaubt das DRK. Die übrigen Insassen des Sonderzugs sollten in eine Sporthalle am Berliner Olympiastadion gebracht werden.

Als das brandenburgische Innenministerium gerade einmal die Ankunft des Zuges in Schönefeld mitteilte, wusste der LINKE-Kreisvorsitzende Sascha Krämer bereits, dass die ersten drei Busse mit 80 bis 100 Menschen aus Schönefeld schon am Ziel in Potsdam angekommen seien. Nur Minuten später berichtete Krämer, nun seien 200 Flüchtlinge dort. 60 Helfer verteilten Obst und Brötchen. Die Koordinierungsstelle im »Freiland« schickte eine Kurznachricht herum, im Moment seien genug Ehrenamtliche vor Ort, man solle lieber fernbleiben und sich auf Abruf später einschalten. Es habe sich eindrücklich gezeigt, schwärmte Sascha Krämer, »Potsdam steht für Solidarität und eine menschliche Willkommenskultur«.

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sicherte dem Land Brandenburg volle Unterstützung bei der Unterbringung der Flüchtlinge zu. »Die Menschen sind in absoluter Not«, sagte er. »Wir müssen alles dafür tun, dass sie ein Dach über den Kopf bekommen.« Es gab viel zu tun. Beispielsweise war eine Anwohnerversammlung vorzubereiten. Deswegen sagte der Oberbürgermeister seine geplante Ungarnreise ab.

Bürger, die im alten Sozialministerium helfen möchten, sollen sich unter der Tel.: (0157) 36 67 79 36 melden oder eine E-Mail an refugeesinpdm@freiland-potsdam.de schreiben.

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