Der ewige Stellvertreter

Berlins neuer Integrationsbeauftragter stellt seinen ehrgeizigen Plan für die Zukunft vor

Vier Monate hat sich die Senatsverwaltung für Integration Zeit gelassen, um einen Integrationsbeauftragten zu präsentieren, der aus dem eigenen Haus kommt.

Dieses Mal wollte die Senatsverwaltung für Integration alles richtig machen und hat sich dafür lange Zeit gelassen. Geklappt hat die Besetzung des vakanten Postens des Berliner Integrationsbeauftragen auf den ersten Blick dann nur so mittel. Mit einem anonymisierten Bewerbungsverfahren sollte unter den 60 Bewerbern absolute Chancengleichheit herrschen. Zum ersten Mal hatte die Senatsverwaltung einen derart wichtigen Posten so besetzen wollen. Keine Namen, keine Geburtsdaten, kein Geschlecht. Und nun ist es Andreas Germershausen geworden, einer, den man auch auf Zuruf hätte ernennen können, denn er arbeitet seit 14 Jahren in der Verwaltung der Integrationsbeauftragten. War zuvor Stellvertreter seiner Vorgängerin Monika Lüke, die Ende Mai aus dem Amt zur Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit nach Asien gewechselt war. Barbara John, eine, die das Amt wie kaum jemand nach ihr geprägt hat, stellte Germershausen im Jahr 2001 ein.

»Wir haben uns ausschließlich aufgrund der fachlichen Qualifikation für ihn entschieden«, versucht Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD), der Germershausen direkt unterstellt ist, ihre Wahl gegen den Vorwurf zu verteidigen, dass nur ein Blick auf seinen Lebenslauf gereicht hätte, um zu wissen, wer er ist. Es müsse bei diesem Verfahren nicht zwangsläufig eine lesbische ältere Frau mit einer Behinderung eingestellt werden, stellt Kolat klar.

Germershausen zeigt sich am Mittwoch bei seiner offiziellen Vorstellung sichtlich unbeeindruckt, ob der Spekulationen, wie fair die Auswahl für den Posten nun gelaufen ist. »Ich stehe für Kontinuität«, sagt er, das muss als Argument reichen.

Der 63-jährige gebürtige Berliner und studierte Soziologe mit Arbeitserfahrung in Bangkok will lieber gleich zur Sache kommen, seine Projekte für die nahe Zukunft vorstellen. Bevor er aber redet oder antwortet, schnipst Kolat ab und an freundlich gegen seinen Ärmel. Es ist Germershausens erster repräsentativer Posten. Auch Hakan Taş, flüchtlingspolitischer Sprecher der Linksfraktion, hat starke Zweifel, ob der Posten die nötige Unabhängigkeit zur Linie des Senats verkörpert. »Germershausen ist der dritte Integrationsbeauftragte in Kolats vierjähriger Amtszeit. Eine Fluktuation, die sicherlich auch damit zu tun hat, dass die Senatorin die von ihren Vorgängern noch gewährte Handlungsfreiheit nicht zulässt.« Es wäre gut, sagt Taş, wenn angesichts der großen Herausforderungen wieder eine kritische Stimme vom Integrationsbeauftragten ausginge.

Aber davon ist Germershausen weit entfernt. Er legt los und konzentriert sich auf seine Vorhaben: In jede neue Unterkunft für Flüchtlinge, die der Senat in den kommenden Monaten errichten wird, will sein Referat ein bis zwei Integrationslotsen schicken, die den Flüchtlingen bei Behördengängen, beim Ausfüllen von Anträgen, bei der Schul- oder Kitaanmeldung helfen sollen. Insgesamt sind perspektivisch 40 Stellen vorgesehen. Bislang waren für die Unterstützung von Flüchtlingen 27 IntegrationslotsInnen und Stadtteilmütter verantwortlich. Die Kosten für die Aufstockung sind bei den aktuellen Haushaltsverhandlungen als Bedarf angemeldet. Kolat hofft dabei auch auf Mittel aus den zugesagten drei Milliarden Euro Flüchtlingshilfe vom Bund, von denen Berlin etwa 200 Millionen Euro abbekommen würde. Das Programm soll sukzessive auch auf bereits bestehende Unterkünfte ausgeweitet werden. Insgesamt sollen die Stellen für Integrationslotsen, die über das Land finanziert werden, ab Januar 2016 von derzeit 96 auf 150 erhöht werden. Bei der Betreuung von Flüchtlingen, die in Hostels untergebracht sind, verlässt sich Germershausen auf die Bezirke, denen die Lotsen zugeordnet sind. Bislang sind Flüchtlinge in Hostels von den offiziellen Unterstützungsleistungen abgeschnitten, weil es keine Sozialarbeiter gibt, die sich um sie kümmern können. Hilfe kommt höchstens ehrenamtlich.

Ein weiteres Projekt auf Germershausens ehrgeiziger Liste ist die Schaffung eines Willkommenscenters, das direkt in der Verwaltung in der Potsdamer Straße in Tiergarten angesiedelt sein wird. Als Beratungszentrum soll es jedoch nicht nur für Flüchtlinge zum Anlaufpunkt werden. Germershausen, der als gut vernetzt gilt, will außerdem stärker als seine Vorgängerin am Puls der kritischen Berliner fühlen. In Dialogforen will er Fragen der Kiezbewohner zu Flüchtlingen klären. »Wir müssen dafür sorgen, dass die Überlegungen der Bürger ernst genommen werden, sonst wird die positive Stimmung kippen«, sagt er.

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