Kabinett läutet Phase 2 im Mittelmeer ein

Schwammige Formulierungen im Mandatsantrag an den Bundestag - aber: Seenotrettung wird nicht eingeschränkt

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch das Erwartete zum Thema Flüchtlingshilfe: Deutschland macht mit bei der Phase 2 von EUNAVFOR MED. Nun soll der Bundestag nicken.

Im Verteidigungsministerium, das maßgeblich an der Umsetzung des Beschlusses beteiligt sein wird, ist etwas von einem «umfassenden europäischen Gesamtansatz» zu hören, den die Bundesregierung gemeinsam mit den EU-Partnern verfolge. Vier Ziele werden genannt: Seenotrettung, Schleuserbekämpfung, verstärkte Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern sowie mehr innereuropäische Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen in der EU. Das klingt schön, doch bereits die Behauptung eines «umfassenden europäischen Gesamtansatzes» macht die gesamte Formulierung zur Phrase.

Das Kabinett legte nun dem Bundestag ein Mandatsentwurf vor, laut dem die Deutsche Marine auf hoher See Schiffe «anhalten und durchsuchen, beschlagnahmen und umleiten» kann, wenn der Verdacht besteht, «dass sie für Menschenschmuggel oder Menschenhandel benutzt werden». Der Einsatzraum liege im mittleren und südlichen Mittelmeer, genannt sind Meeresgebiete südlich Siziliens vor der Küste Libyens und Tunesiens. Ausgenommen sind «Malta sowie das umschließende Seegebiet innerhalb von 25 nautischen Meilen sowie die Territorialgewässer sowie das Festland Libyens‹‹.

Im Vorfeld des Kabinettsbeschlusses wurde behauptet, nun werden man von der Informationssammlung über Schleuser zu deren Bekämpfung übergehen. Tatsächlich ist die Passage zur Anwendung von Gewalt durch die bis zu 950 deutsche Einsatzkräfte zurückhaltend - oder bewusst schwammig? - formuliert. Sie erfolge auf der Grundlage des Völkerrechts und sei durch die geltenden Einsatzregeln spezifiziert. Was immer die beinhalten - militärische Gewalt ist laut Dokument nur zulässig »zum Schutz eigener und anderer EUNAVFOR MED-Kräfte sowie im Rahmen der Nothilfe. Das Recht zur individuellen Selbstverteidigung bleibt unberührt.«

Natürlich lassen sich Situationen vorstellen, in denen Schleuser das Aufbringen und Durchsuchen ihrer Boote mit Waffengewalt verweigern. Dann kann von den Soldaten zurückgeschossen werden. Doch dieser Fall ist sehr konstruiert, da sich die gewieften Schleuser niemals außerhalb der Territorialgewässer sehen lassen. Sie schicken Flüchtlinge unbegleitet aufs offene Meer hinaus und spekulieren bestenfalls darauf, dass die überladenen Seelenverkäufer von anderen Schiffen entdeckt werden, bevor sie untergehen.

Von den Geretteten sollen die deutschen Marinesoldaten »Daten zu erheben«. Die müssten sich auf »Merkmale beziehen, die wahrscheinlich der Identifizierung besagter Personen dienlich sind, einschließlich Fingerabdrücke«. Dazu kommen Name, Geburtsname, Vornamen, Geburtsdatum und -ort - bis zum Führerschein soll alles erfasst und »an die einschlägigen Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und/oder an die zuständigen Stellen der Union« weitergeleitet werden.

Da das bislang schon geschah, fragt sich, wie legal man da handelte. Auffällig ist, dass im Gegensatz zum Mandat für der EU-Operation »Atalanta« vor Somalia bei der Mittelmeeroperation nicht definiert ist, wer die »einschlägigen Strafverfolgungsbehörden« sind. Der wichtigste Satz in dem Mandatsentwurf ist eine Selbstverständlichkeit: Es gelte »für alle im Rahmen von EUNAVFOR MED eingesetzten Schiffe die völkerrechtliche Verpflichtung zur Hilfeleistung für in Seenot geratene Personen fort«.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.