Länderchefs nur halb zufrieden

Ramelow nach dem Gipfel bei der Bundeskanzlerin: de Maizière braucht uns nicht die Welt zu erklären

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Ein Schritt des Bundes in die richtige Richtung - mehr noch nicht: Die Ergebnisse des Spitzentreffens am Dienstagabend im Kanzleramt haben bei Ländern und Kommunen vor allem Erwartungen geweckt.

Berlin. Die Ergebnisse des Treffens der Ministerpräsidenten vom Dienstagabend in Berlin haben bei Ländern und Kommunen Erwartungen für den »Flüchtlingsgipfel« am 24. September geweckt, stellen aber noch keine bindenden Beschlüsse dar. Bei dem mehr als vierstündigen Krisentreffen im Kanzleramt hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Ministerpräsidenten zugesagt, dass der Bund die Länder künftig stärker bei der Organisation der Flüchtlingsversorgung unterstützen will.

Der Koalitionsausschuss hatte beschlossen, dass der Bund den Ländern dieses Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich zur Verfügung stellt. Für 2016 stellte er drei Milliarden Euro in Aussicht. Aus den Ländern kommen Forderungen nach einer Verdoppelung dieser Bundesmittel. Spekuliert wird über mögliche Gesamtkosten für Bund, Länder und Kommunen zwischen zehn und zwölf Milliarden Euro pro Jahr. Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten einigten sich am Dienstag zunächst darauf, dass der Bund die Länder bei Erstaufnahme und Verteilung von Flüchtlingen stärker entlastet. Konkretere Absprachen wurden vertagt.

Der Bund habe »strukturelle Hilfen« zugesagt, wie der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, zufrieden formulierte. Die Bundeskanzlerin versprach unter anderem die Bereitstellung von 40 000 Erstaufnahmeplätzen für Flüchtlinge durch den Bund. Dies lobte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) als »sehr hilfreich«. Die Mainzer Regierungschefin meinte in Deutschlandradio Kultur zugleich: »Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass der Bund an der einen oder anderen Stelle schon viel konkreter geworden wäre.«

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) zeigte sich alles andere als zufrieden mit den Ergebnissen des Treffens. »Gemessen an den Herausforderungen, haben wir für den Flüchtlingsgipfel am 24. September noch viel Luft nach oben. Gestern haben wir maximal die Pflicht erledigt«, sagte er am Mittwoch gegenüber »nd«. Es sei überfällig gewesen, dass der Bund »endlich Verantwortung für die Verteilung der Flüchtlinge nach den gesetzlichen Grundlagen übernimmt und in die Erstaufnahme einsteigt«. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) müsse nun aber beginnen »die realen Probleme anzupacken, anstatt uns die Welt zu erklären«. Die Summe, die der Bund für die Flüchtlinge den Ländern und Kommunen zur Verfügung stelle, müsse verdoppelt werden.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) reagierte zurückhaltend auf Forderungen der Länder nach höheren Finanzhilfen. Sein Sprecher Martin Jäger betonte am Mittwoch in Berlin zwar erneut, dass es nicht am Geld scheitern werde. Aber alle finanziellen Leistungen müssten ordentlich begründet werden. Der Bund werde sich an den tatsächlich entstehenden Kosten beteiligen.

Merkel äußerte sich gleichwohl zufrieden nach dem Treffen. Alle Länderchefs hätten sich zum »Königsteiner Schlüssel« zur Verteilung der Flüchtlinge bekannt. Es habe große Übereinstimmung darüber bestanden, dass Menschen, die Schutz brauchen, diesen Schutz auch erhalten, jene Flüchtlinge aber, die keine Schutzperspektive hätten, schnell zurückgeführt werden sollten.

Der Bund will nach Merkels Worten bis zum Gipfel am 24. September konkrete Vorschläge zur Beschleunigung der Asylverfahren vorlegen. Details zu den zugesagten Erstaufnahmeplätzen und den Drehkreuzen zur Verteilung von Flüchtlingen blieben am Dienstagabend offen. Offenbar soll es neben München, wo besonders in den vergangenen Wochen viele Flüchtlinge aus Ungarn ankamen, zwei weitere Verteilzentren geben. Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) sagte im Sender HR Info, konkret werde über solche Kreuze in Berlin-Schönefeld und im niedersächsischen Bad Fallingbostel gesprochen. Ähnlich äußerte sich Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) im MDR. Beide sagten, für ihr jeweiliges Bundesland sei kein Verteilzentrum geplant.

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zeigte sich gegenüber dem »Kölner Stadtanzeiger« unzufrieden mit den Vereinbarungen vom Dienstagabend. Erst nach dem geplanten Flüchtlingsgipfel könne man beurteilen, »ob wir wirklich ein Stück weitergekommen sind oder nicht«. Kraft relativierte die Zahl der von der Bundesregierung zugesagten 40 000 Erstaufnahmeplätze. Allein Nordrhein-Westfalen habe in diesem Jahr bislang 144 000 Flüchtlinge aufgenommen. In dieser Woche würden weitere 15 000 erwartet. Die Länder drängen insbesondere auf eine Beschleunigung der Asylverfahren. »Wir haben bei dem Treffen mit der Kanzlerin festgestellt, dass es bei weitem noch nicht schnell genug geht«, sagte Kraft. nd/Agenturen

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