Gabriel für Ende der Sanktionen gegen Moskau

Wegen Rolle Russlands in der Syrienfrage / Gysi: »Vernünftige, wenn auch mehr als späte Einsicht« / Außenpolitiker reagieren zurückhaltend auf Merkels Aussagen zu Assad / Kanzlerin erstmals für direkte Gespräche mit Syriens Staatschef

  • Lesedauer: 5 Min.

Update 17.05: Gysi begrüßt Gabriels Abrücken von Sanktionen
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat sich wegen der wichtigen Rolle Russlands in der Syrien-Krise für ein besseres Verhältnis zu Russland ausgesprochen und ein Ende der Sanktionen vorgeschlagen. »Wir werden unser Verhältnis zu Russland ändern müssen«, sagte Gabriel. »Jeder wird so klug sein zu wissen, dass man nicht auf der einen Seite Sanktionen dauerhaft aufrechterhalten und auf der anderen Seite darum bitten kann, zusammenzuarbeiten«. Ein »anderes und besseres Verhältnis« fange bei einer zweiten Gaspipeline an und ende bei der Aufhebung der Sanktionen gegen Russland.

Linksfraktionschef Gregor Gysi reagierte positiv auf den Meinungswechsel des SPD-Politikers. »Das ist eine vernünftige, wenn auch mehr als späte Einsicht« von Gabriel, sagte Gysi. »Letztlich haben die Sanktionen der EU eine internationale Lösung des Syrien-Konflikts mehr als ein Jahr lang lahmgelegt. Und was musste ich mir alles von der SPD vorhalten lassen, weil ich von Anfang an gegen Sanktionen war. Jetzt sehen das Außenminister, Vizekanzler und Kanzlerin auch endlich ein.« Als er selbst vor neun Tagen Gespräche mit Assad vorgeschlagen habe, »wurde ich wieder beschimpft. Und nun fordern sie es selbst. Was sagt uns das?« Er verstehe »sehr gut, dass man Assad nicht mag«, sagte Gysi mit Blick auf den syrischen Staatschef, der Menschenrechte verletze. »Aber wir werden keinen Frieden ohne Assad finden.«

Update 11.00 Uhr: Ischinger plädiert für militärische Maßnahmen in Syrien
In der Diskussion um eine Friedenslösung für Syrien hat der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, dafür plädiert, auch militärische Maßnahmen nicht auszuschließen. Die EU, einschließlich Deutschlands, müsse bereit sein, sich neben diplomatischen Initiativen auch an Überlegungen zu möglichen militärischen Optionen zu beteiligen, sagte Ischinger am Freitag im ARD-»Morgenmagazin«.

»Also es geht nicht um den Einsatz der Bundeswehr, um das klar zu sagen«, führte Ischinger aus. »Aber es geht um die Frage, ob wir uns an planerischen Optionen beteiligen können. Könnte eine Flugverbotszone beispielsweise in Teilen von Syrien helfen? Wäre Russland bereit, sich an so etwas zu beteiligen? Welchen Beitrag könnten wir leisten?« Europa dürfe nicht mehr abseits stehen.

Ischinger begrüßte die diplomatischen Initiativen zwischen dem Westen und Russland in der Syrien-Frage. »Ohne Russland, das ist seit langem klar, wird es weder in der Ukraine Ruhe geben noch in Syrien.« Russland ist ein enger Partner Syriens. Kanzlerin Angela Merkel hatte nach dem EU-Gipfel in Brüssel dafür geworben, das Gespräch mit dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad zu suchen. »Es muss mit vielen Akteuren gesprochen werden, auch mit Assad«, sagte sie.

Wie hältst du es mit Assad?

Washington. Russlands Staatschef Wladimir Putin hat in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CBS seine Unterstützung für Syriens Machthaber Baschar al-Assad bekräftigt und verteidigt. CBS-Moderator Charlie Rose sagte laut am Donnerstag vorab veröffentlichten Interviewauszügen, die verstärkte russische Militärpräsenz in Syrien lege nahe, dass Moskau Assad »retten« wolle. »Da haben Sie recht«, antwortete Putin.

»Und es ist meine tiefe Überzeugung, dass jede gegenläufige Handlung - zur Zerstörung einer legitimen Regierung - eine Lage schaffen wird, die man jetzt in anderen Ländern der Region oder in anderen Regionen wie etwa Libyen sehen kann, wo alle staatlichen Einrichtungen zerfallen sind«, fügte der russische Präsident hinzu. Auch im Irak sei »eine ähnliche Situation« zu beobachten.

Damit kritisierte Putin indirekt die USA, die in den vergangenen Jahren sowohl im Irak als auch in Libyen mit ihrem militärischen Eingreifen den Sturz der bestehenden Regierungen herbeigeführt hatten. Für das Bürgerkriegsland Syrien forderte Putin ein anderes Vorgehen.

Es gebe »keine andere Lösung der syrischen Krise als eine Stärkung der tatsächlichen Regierungsstrukturen und Hilfe für sie, um den Terrorismus zu bekämpfen«. Zugleich müsse Damaskus dazu gedrängt werden, »sich an einem positiven Dialog mit der vernünftigen Opposition zu beteiligen und Reformen durchzuführen«. Das vollständige Interview will CBS am Sonntag ausstrahlen.

Die USA werfen Russland vor, seine Militärpräsenz in Syrien zu verstärken und damit Assads Position zu festigen. Nach US-Angaben schickte Moskau nach Panzern, Artillerie und Soldaten inzwischen auch Kampf- und Aufklärungsflugzeuge nach Syrien. Washington fürchtet vor allem, dass sich im syrischen Luftraum russische Flugzeuge und Flugzeuge der US-geführten Militärkoalition bei ihren Luftangriffen gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in die Quere kommen könnten.

Am Montag treffen sich Putin und US-Präsident Barack Obama am Rande der UN-Generaldebatte in New York, dabei soll es vor allem um den Syrien-Konflikt gehen. Anlässlich der Generaldebatte und angesichts der Flüchtlingskrise wird derzeit international verstärkt über einen Ausweg aus dem syrischen Bürgerkrieg diskutiert. Vor allem westliche Staaten fordern seit langem, dass Assad abgelöst wird.

Koalitionspolitiker lehnen Gespräche mit Assad ab

Unterdessen nimmt die Debatte um die erstmals von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erhobene Forderung nach direkten Gesprächen mit Assad an Fahrt auf. Führende Außenpolitiker der großen Koalition äußerten sich zurückhaltend. Der Westen müsse nun klären, wie er »umgehen will mit Herrn Assad, den wir ja bisher als Teil des Problems verstanden haben, nicht als Teil der Lösung«, sagte der Obmann für Außenpolitik der Unionsfraktion, Roderich Kiesewetter (CDU), der »Welt«. Er sprach von »Unbehagen über ein gemeinsames Agieren mit Assad«. Dies solle deutlich gemacht und Assad dafür auch ein »Preis« abverlangt werden.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Niels Annen, sagte der Zeitung: »Wir müssen sehr aufpassen, dass wir nicht die Illusion erwecken, mit einer Kursänderung Richtung Assad wäre eine kurzfristige Lösung der Syrien-Krise möglich.« Um den Krieg zu beenden, müsse zwar die Bereitschaft da sein, mit allen Kräften zu reden. »Eine langfristige Lösung mit Assad kann es aber nicht geben«, betonte Annen und verwies auf die Mitverantwortung des Staatschefs für hunderttausende Todesopfer und Flüchtlinge. Agenturen/nd

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