Ungeliebtes Konkurrenzprojekt
Ein geplantes Dokumentationszentrum gegen Nazis stößt in Thüringen auf Kritik - ausgerechnet bei der profilierten Beratungsstelle gegen Rechts
Die von den LINKEN forcierte Einrichtung eines Thüringer Dokumentationszentrums gegen Nazis stößt im Freistaat zunehmend auf Ablehnung. Eine solche Einrichtung könnte bestehende Strukturen im Kampf gegen Neonazis gefährden, sagt der Vorsitzende der Mobilen Beratung in Thüringen (Mobit), Sandro Witt. »Ich sehe schon, dass das im Zweifelsfall in Konkurrenz zu Mobit steht.« Der Verein berät seit Jahren unter anderem Schulen im Umgang mit extrem rechtem Gedankengut und gilt als eine der profiliertesten Akteure im Kampf gegen Nazis in Thüringen. Er sehe deshalb im Zusammenhang mit den Plänen der Linkspartei »großen Diskussionsbedarf, aber auch die Möglichkeit, sich zu einigen«, so Witt. Statt mit dem Dokumentationszentrum eine neue Struktur zu schaffen, schlägt er vor, die Kompetenzen von Mobit zu stärken.
Vor allem die LINKEN in Thüringen wollen im Kampf gegen rechtes Gedankengut auf eine »Dokumentationsstelle für Menschenrechte, Grundrechte und Demokratie« setzen. Das Vorhaben steht auch im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag. Die Innenexpertin der Partei, Katharina König, hatte vor kurzem erklärt, für die Jahre 2016 und 2017 sollten nach dem Willen ihrer Landtagsfraktion jeweils 250 000 Euro für eine solche Dokumentationsstelle zur Verfügung gestellt werden. Mit dem Geld sollten unter anderem Stellen für Geistes- und Sozialwissenschaftler finanziert werden, die zum Neonazismus forschen. König hatte vorgeschlagen, die Dokumentationsstelle als Thüringer Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Rechtsform einer Landesanstalt zu gründen.
Doch auch in den Reihen der SPD gibt es zunehmend Kritik an den Plänen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es bei den Sozialdemokraten, die Aufgaben, die eine solches Dokumentationszentrum wahrnehmen solle, würden bereits von vorhandenen Institutionen erfüllt: So dokumentiere Mobit extrem rechte Aktivitäten in Thüringen. Zudem gebe es an der Friedrich-Schiller-Universität Jena ein Kompetenzzentrum Rechtsextremismus, in dem zu diesem Bereich geforscht werde. Statt neue Strukturen im Kampf gegen Nazis brauche man im Freistaat gerade angesichts der angespannten Haushaltslage eine Debatte über die Qualitätsstandards der bestehenden Angebote.
Dass ein Dokumentationszentrum gegründet und wie von der Linkspartei erhofft, mit jeweils 250 000 Euro in den kommenden beiden Jahren ausgestattet werde, sei eher unwahrscheinlich, heißt es bei den Genossen weiter: »Wenn überhaupt kommt das in einer abgespeckten Version, am besten gar nicht.«
Schon bevor sie in Thüringen im Dezember vergangenen Jahres die Regierungsverantwortung mitübernommen haben, hatten sich die LINKEN für ein solches Zentrum ausgesprochen, das damals auch Dokumentationsstelle genannt wurde. In der Debatte um die Zukunft des Thüringer Verfassungsschutzes hatten sie dafür geworben, den Nachrichtendienst abzuschaffen und ihn durch eine solche Einrichtung zu ersetzen. Im April 2014 hatte der damalige innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Ralf Kalich, gesagt: »Dies war heute hoffentlich der letzte Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission an den Thüringer Landtag, weil der Verfassungsschutz nach der Landtagswahl von einer LINKEN in Regierungsverantwortung durch eine Informations- und Dokumentationsstelle ersetzt werden wird.« Der Vorschlag hatte nie eine Mehrheit gefunden. Auch im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag ist von einer kompletten Abschaffung des Dienstes keines Rede mehr.
Sandro Witt schlägt unterdessen vor, statt mit dem Dokumentationszentrum ein weiteres Gebilde im Kampf gegen Neonazismus aufzubauen, die Schlagkraft von Mobit aufzuwerten. Beispielsweise könne der Verein um Menschen mit wissenschaftlicher Expertise erweitert und so zur zentralen Koordinierungs- und Anlaufstelle in Thüringen für den Kampf gegen rechte Ideologien gemacht werden, erklärt er. »Daran hätten wir ein großes Interesse. Wir haben einfach fitte Leute, die seit 15 Jahren auf dem Feld unterwegs sind.«
Der Vorschlag hat auch deshalb eine besondere Brisanz, weil Witt nicht nur Vorsitzender von Mobit ist, sondern auch stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes im Bezirk Hessen-Thüringen – und Mitglied der Thüringer LINKEN. Er war sogar stellvertretender Landesvorsitzender der Partei.
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