Die Rhetorik vom »vollen Boot« kehrt zurück
Konservative und sozialdemokratische Politiker sehen Grenzen in der Aufnahmekapazität von Flüchtlingen
In der Flüchtlingsdebatte haben sich Politiker der SPD an die Seite der Hardliner von CDU und CSU gestellt. Fraktionschef Thomas Oppermann will sich ernsthaft mit der Forderung von Innenminister Thomas de Maizière und bayerischen Konservativen beschäftigen, wonach Transitzonen an den Landesgrenzen eingeführt werden sollen. »Ich bin sehr für beschleunigte Verfahren und meine, dass wir alle Optionen vorurteilsfrei prüfen müssen«, sagte der Sozialdemokrat am Wochenende. De Maizière hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der sich derzeit in der Ressortabstimmung befindet. Der CDU-Politiker verfolgt darin das Ziel, Schutzsuchende noch vor der Einreise nach Deutschland abzuweisen. Um diese Schnellverfahren durchführen zu können, müssten die Flüchtlinge bis zu einer Woche im Grenzgebiet festgehalten werden. Dies würde die Einrichtung von Internierungslagern mit Tausenden Insassen bedeuten. Gründliche Prüfungen der Asylanträge sind dort ausgeschlossen.
Zudem unterstützt Oppermann die Forderung einiger Unionspolitiker nach der Aufnahme fester Kontingente. Für eine »Reduzierung der Zahlen« sei aber eine Grundgesetzänderung nicht notwendig. Andere SPD-Politiker äußerten sich zurückhaltender als der Fraktionsvorsitzende. Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte am Montag vor Journalisten in der Berliner Parteizentrale, ihr werde nicht klar, »wie eigentlich ein beschleunigtes Verfahren an den deutschen Grenzen funktionieren kann und welchen Nutzen das am Ende praktisch haben soll«.
Auch wegen rechtlicher Hürden dürfte das Vorhaben nur schwer umsetzbar sein. Nach Rechtsauffassung der EU-Kommission lassen der Schengenvertrag und die Asylverfahrensrichtlinie, die Deutschland noch umsetzen muss, das von de Maizière favorisierte Verfahren nur auf Flughäfen und an den Außengrenzen des Schengenraums zu. Flughafenverfahren werden in der Bundesrepublik bereits seit dem sogenannten Asylkompromiss von 1993 durchgeführt. Transitzonen mit Absperrungen sind an den Binnengrenzen der Europäischen Union laut EU-Kommission dagegen nur vorübergehend für einige Wochen möglich.
Die große Mehrheit der Sozialdemokraten behauptet ebenso wie Oppermann, dass die »Möglichkeiten bei der Aufnahme nahezu erschöpft sind«. Damit kehrt auch in der SPD zunehmend die Das-Boot-ist-voll-Rhetorik der 90er Jahre zurück. Fahimi sprach von einem »hohen Belastungspegel«. Dagegen hatte unter anderem die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl darauf hingewiesen, dass Deutschland überaltere und Zuwanderung brauche. Damit die Gesellschaft davon profitieren kann, müsse aber auch die Integration der Flüchtlinge organisiert werden.
Uneins sind sich die Sozialdemokraten lediglich darüber, ob die bislang geplanten Maßnahmen ausreichen, um den Zuzug von Schutzsuchenden zu begrenzen. Anders als Oppermann, der die Kanzlerin von rechts attackieren will, steht nach Aussage des integrationspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Rüdiger Veit, die Mehrheit der sozialdemokratischen Parlamentarier hinter der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin hatte unlängst erklärt, dass das Grundrecht auf Asyl keine Obergrenze kenne.
Die schnellen Kurswechsel der CDU-Vorsitzenden sind jedoch bekannt und es ist nicht auszuschließen, dass sie schon bald ihre eigene Aussage revidieren wird. Das könnte der Fall sein, wenn die von der schwarz-roten Koalition vorgesehenen Gesetzesänderungen, die in der kommenden Woche von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden sollen, nicht den gewünschten Erfolg bringen sollten. Dazu zählen unter anderem die Ausweitung der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten auf dem Westbalkan, um auch Schutzsuchende aus Montenegro, Kosovo und Albanien schneller in ihre Heimatländer abzuschieben. Zudem sollen bald Leistungen für »ausreisepflichtige« Asylbewerber gekürzt werden, obwohl dieses Vorhaben offensichtlich verfassungswidrig ist. Durch diese Abschreckungsmaßnahmen sollen Flüchtlinge von der Einreise nach Deutschland abgehalten werden.
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